An Franziskus’ Besuch in Ägypten am Freitag und Samstag sind hohe Erwartungen geknüpft. In dem von islamistischem Terror gebeutelten Land will er den Dialog zwischen Christen und Muslimen neu beleben. Und er verzichtet auf ein schusssicheres Auto

Kairo - Für die jungen muslimischen Theologen ist es eine Premiere. Seit vier Jahren studieren sie Islam und Deutsch an der Al-Azhar-Universität in der ägyptischen Hauptstadt Kairo. Die meisten wollen nach dem Examen in Deutschland oder Österreich als Imam arbeiten. Nun sitzen sie in den vordersten drei Bänken der kleinen evangelischen Kirche an der viel befahrenen Galaa-Straße, um zum ersten Mal in ihrem Leben an einem christlichen Gottesdienst teilzunehmen. Jeder der 14 hat ein deutsches Gesangbuch vor sich, neugierig schweifen die Blicke durch das ockergelb getünchte Kirchenschiff, während der deutsche Pfarrer Stefan El Karsheh den seltenen Gästen die Bedeutung des Taufbeckens und des Altars erläutert.

 

In Deutschland gehören solche Begegnungen mittlerweile etwa an Tagen der offenen Moscheen oder bei Dialogtreffen zwischen Christen und Muslimen zum interreligiösen Alltag; in Ägypten sind sie eine absolute Rarität. Zehn Prozent der 93 Millionen Einwohner sind Christen, 90 Prozent Muslime. So wie Abdelwakeed Abou Rehab, der aus Sohag in Oberägypten stammt. Sein Elternhaus ist der einzige muslimische Haushalt in der Straße, die ansonsten nur von Kopten bewohnt ist, erzählt er. Aufgewachsen ist der 23-Jährige unter Christen. Im Studium las er zum ersten Mal die Bibel und wühlte sich durch ein dickes Jesusbuch eines deutschen Theologen. Eine Kirche jedoch hat er bisher noch nie von innen gesehen. Genauso wie Mahmoud Salem, der bei dem anschließenden Gespräch mit der deutschen Gemeinde freimütig bekennt, wie tief ihn der Gesang, die Orgelmusik und die Gebete berührt haben. „Ich hatte nur ein paar seltsame Phrasen aus der Bibel im Kopf. Dass man den christlichen Glauben so intensiv leben kann, hätte ich mir nicht vorstellen können“, sagt der junge Mann, der im Norden Kairos aufwuchs.

Franziskus gilt als einer, der andere Religionen respektiert

Solche Kontakte von Gläubigen zu Gläubigen hat Papst Franziskus vor Augen, wenn er für bessere muslimisch-christliche Beziehungen wirbt. So steht am Freitag gleich zu Beginn seiner zweitägigen Kairo-Reise ein Auftritt in der Al-Azhar-Universität auf dem Programm, der ältesten und bedeutendsten Lehranstalt des sunnitischen Islams. Für deren Chef Ahmed al-Tayyeb ist der Besucher aus Rom „eine Person, die in ihrem Herzen den Respekt für andere Religionen trägt“.

Doch die Visite des katholischen Oberhauptes fällt in aufgewühlte Zeiten. Noch nie zuvor haben islamische Gewalttäter ihre Religion so systematisch in Verruf gebracht. Noch nie waren Existenz und Überleben der christlichen Minderheiten im Orient so gefährdet wie heute. In Tanta und Alexandria töteten Selbstmordattentäter am Palmsonntag in einer bisher beispiellosen Terrorserie 46 Gottesdienstbesucher. Mit dem koptischen Papst Tawadros II. will Franziskus auch die St.-Peter-und-Paul-Kirche in Kairo besuchen, um für die 29 Christen zu beten, die im vergangenen Dezember kurz vor Weihnachten von einer Bombe zerfetzt wurden.

Ist der Besuch in der Al-Azhar Universität nur ein Protokolltermin?

Allerdings bezweifeln viele in Ägypten lebende Christen, dass engere offizielle Kontakte zwischen Al-Azhar und dem Vatikan ihr Zusammenleben mit den Muslimen verbessern könnten. „Das ist nur ein formelles Treffen, nicht mehr und nicht weniger“, urteilt der koptische Publizist Kamal Zakher. Greifbare Ergebnisse erwarte er von einem solchen Protokolltermin nicht. Seiner Meinung nach sollte Al-Azhar erst einmal ihren religiösen Diskurs von Grund auf erneuern, bevor sie mit anderen Religionen Gespräche aufnehme. Dagegen sehen Kairoer Ordensbrüder des Papstes wie der Jesuit Bimal Kerketta die Lage etwas positiver. Der Besuch von Franziskus sei ein gutes Zeichen, weil er die Kontakte zum Islam neu belebe: „Was jedoch die tägliche Praxis im Umgang miteinander angeht, das ist noch ein sehr langer und schwieriger Weg.“ Der christlich-islamische Dialog sei vor allem eine Sache von Spezialisten und Intellektuellenzirkeln. „Unten im Alltag kommt davon aber kaum etwas an.“

Aus Sicherheitsgründen ist der Abschlussgottesdienst am Stadtrand

Wegen der Terrorgefahr gilt in den kommenden Tagen die höchste Sicherheitsstufe am Nil, auch wenn sich der unorthodoxe Pontifex aus Argentinien weigert, in einem Papamobil mit schusssicheren Scheiben durch Kairo zu fahren. „Darin fühle ich mich wie in einer Sardinenbüchse“, meint der 80-Jährige. Das tonnenschwere Gefährt hindere ihn daran, mit den normalen Leuten in Kontakt zu kommen. Höhepunkt seines Besuchs ist am Samstagmorgen ein Open-Air-Gottesdienst im sogenannten Stadion der Luftwaffe, das am Stadtrand auf einem Militärgelände liegt.

„Der Papst des Friedens im Ägypten des Friedens“, lautet das offizielle Motto des Besuches. Das Logo zeigt den winkenden Franziskus mit einer Friedenstaube vor dem Nil, den Pyramiden und der Sphinx. Im Zentrum des Bildes aber stehen Kreuz und Halbmond, um die Hoffnung auf eine friedliche Koexistenz von Christentum und Islam zu symbolisieren. Diese streben auch die 14 Al-Azhar-Studenten an, die am Sonntagsgottesdienst der deutschen Gemeinde teilnahmen. Für die Radikalisierung unter Muslimen machen sie auch die Zustände im eigenen Land verantwortlich: Islamistische Gewalttäter seien deshalb so leicht zu indoktrinieren, weil es in Ägypten keine Meinungsfreiheit gebe und keine Möglichkeit bestehe, offen zu diskutieren, auf andere einzuwirken und sie so vom Irrweg abzubringen. Daher braue sich im Untergrund etwas zusammen, was der Rolle von Religion fundamental widerspreche, nämlich in Frieden miteinander zu leben, sagen sie. Auch ihr Gastgeber, Pfarrer Stefan El Karsheh, ist draußen vor der Kirchentür wieder zurück in der harten Realität. Nach den Anschlägen in Tanta und Alexandria vor Ostern will die ägyptische Polizei jetzt auch über dem Eingangstor seiner deutschen Kirche zwei Überwachungskameras installieren.