Das WM-Halbfinale gegen Deutschland in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch ist für die Zukunft des Frauenfußballs in den USA äußerst wichtig. Denn der Sport tut sich in den Vereinigten Staaten sehr schwer.

New York - Abigail Feldman und ihre Freundinnen hatten es nicht leicht am vergangenen Freitag bei ihrem Versuch, gemeinsam bei einem Pint oder zwei das Fußball-WM-Viertelfinale der USA gegen China anzuschauen. Als die fünf Frauen eine halbe Stunde vor Anpfiff in den Soccer-Pub Smithfield Hall ankamen, war es unmöglich, noch durch die Tür des Lokals im Stadtteil Chelsea zu kommen. Auch bei der nächsten Kneipe, die sie aufsuchten, war es nicht besser: dort hatte eine große Gruppe Latino-Frauen den Schankraum besetzt, um Fußball zu schauen. Schließlich konnten sie in einer Pizzeria den Wirt überreden, einen der Bildschirme auf den Fix Soccer Kanal einzustellen.

 

Das WM-Fieber in den USA, zumindest in den urbanen Zentren, in denen man „Soccer“ mag, wächst so langsam mit dem Beginn der K.-o.-Runde. Nach einem schleppenden Start, nicht zuletzt durch eine wenig überzeugende Leistung der amerikanischen Frauen um Hope Solo und Abby Wambach verursacht, nimmt die Begeisterung für das Turnier in Kanada langsam an Fahrt auf. Beinahe sechs Millionen Menschen schauten sich das China-Spiel an – es war das am drittmeisten geschaute Frauenfußballspiel der TV-Geschichte.

Den Rekord hält freilich noch immer das Endspiel von 1999, das die Amerikanerinnen vor 90 000 Zuschauern im Rose Bowl von Los Angeles im Elfmeterschießen gewannen. 17 Millionen haben damals vor dem Fernseher gesessen. Das Bild, wie sich die Siegschützin Brandi Chastain das Trikot vom Leib riss und zu Boden sank, wurde zu einem ikonischen Moment des US-Sports. „Danach wollte jedes Mädchen in Amerika Teil dieses Teams werden“, sagt die damals acht Jahre alte Caroline Miller, die heute beim Proficlub Washington Spirit spielt.

Der Erfolg der Liga in den USA ist bescheiden

Doch die Begeisterung von damals in eine stabile Anhängerschaft für den Frauenfußball in Amerika zu übersetzen, war weitaus schwieriger, als man das ursprünglich geglaubt hatte. Die 2001 mit viel Euphorie gegründete Profiliga WUSA hielt gerade einmal drei Spielzeiten lang durch. Als die Sponsoren und Investoren merkten, dass das Spiel nicht so rasch profitabel sein wird, zogen sie sich wieder zurück, um ihre Verluste zu minimieren.

Auch der zweite Versuch einer Frauen-Profiliga hielt nicht viel länger durch. Die Spielerinnen des US Teams, das bei der WM 2011 in Deutschland das Endspiel gegen Japan verlor, kehrten zu einem Spielbetrieb zurück, der in den letzten Atemzügen lag. 2012 machte auch die „WPS“ – Women’s Professional Soccer – zu. Die Kosten waren nicht in den Griff zu bekommen. „Es ist einfach nicht möglich, eine Frauenliga zu betrieben, die sich finanziell voll trägt“, sagte danach resigniert der Präsident von US Soccer, Sunil Gulati.

Dennoch hat man einen dritten Anlauf genommen. Dabei versucht man das im Prinzip unmögliche: mit extrem niedrigen Kosten dem Zuschauer eine möglichst hohe Qualität zu bieten. Die Budgets der Clubs sind gerade einmal ein Drittel so hoch wie zuvor. Die maximalen Gehälter liegen bei 30 000 Dollar, viele Spielerinnen verdienen gerade einmal 6000 pro Saison. Um dennoch Qualität zu sichern, übernehmen die Verbände aus Mexiko, Kanada und den USA die Gehälter der Nationalspielerinnen.

Der Erfolg ist bislang mäßig. Die Spiele werden nicht übertragen, auf den Rängen sitzen im Schnitt kaum 4000 Anhänger. Einzig in Portland, einer Stadt mit einer außergewöhnlich fußballbegeisterten Bevölkerung, gehen 14 000 Fans zu den Spielen der Thorns. „Ich hatte hier erstmals das Gefühl, eine echte Profisportlerin zu sein“, sagt die Spielerin Jazmine Reeves. Ob die Liga diesmal dauerhaft überlebensfähig ist, ist jedoch noch lange nicht sicher. Früher oder später, sagt die Nationalspielerin Julie Foudy, müssten Gehälter bezahlt werden, von denen die Frauen auch leben können.

Fußball boomt seit vielen Jahren unter den Mädchen

Dass sich der Profifußball in den USA so schwer tut, ist eigentlich verwunderlich. Unter jungen Amerikanerinnen ist Fußball überaus beliebt: geschätzte 1,6 Millionen Mädchen spielen Fußball. Unter den beliebtesten fünf Sportarten ist Fußball derjenige, der am raschesten wächst. Hinzu kommt, dass das Nationalteam seit mehr als 15 Jahren konstant zu den besten der Welt gehört. Doch der Enthusiasmus für die großen Turniere wie die WM und Olympia lässt sich bislang, wie auch bei den Männern, nur schwer in den Alltag übertragen.

Dennoch erhofft man sich von diesen WM einen erneuten Schub. Und die Zeichen stehen bislang nicht schlecht. Die Einschaltquoten beim Sender Fox Sports, der alle WM-Spiele zeigt, liegen jetzt schon höher, als 2011. Abby Wambach, Hope Solo und vor allem die hübsche Stürmerin Alex Morgan rücken mit ihren Werbeauftritten in das Bewusstsein einer breiteren Bevölkerung: Am Times Square flimmert seit Turnierbeginn ein überlebensgroßes Nike-Banner mit Morgan. Für einen nachhaltigen Kick, glauben die Experten, muss das Team aber schon den Pokal gewinnen. „Wenn sie nicht den Titel holen, wird das hier als Enttäuschung betrachtet“, sagt der Sportmarketing-Experte Bob Dorfman. Ein Titelgewinn hingegen könnte Hope Solo oder Alex Morgan zu Superstars weit über die Fußballwelt hinaus machen.

Dazu müssen die US Frauen freilich erst einmal an den starken Deutschen vorbei kommen. Abigail Feldmann und ihre Freundinnen werden sich dieses Spiel gewiss nicht entgehen lassen. Und sie haben dazu gelernt: „Wir gehen mindestens anderthalb Stunden vorher in die Kneipe.“