Von 2016 an muss bei Neubesetzungen ein Frauenanteil von 30 Prozent erfüllt werden. Die Opposition kritisiert die Regel als unzureichend – den großen Wirtschaftsverbänden und vielen Unternehmen geht sie dagegen zu weit.

Korrespondenten: Barbara Schäder (bsa)

Frankfurt - Nach heftigem Streit hat sich die große Koalition auf eine Frauenquote für Aufsichtsräte geeinigt. Mehr als 110 Großunternehmen müssen künftig 30 Prozent ihrer Aufsichtsratsposten an Frauen vergeben. Die Regel greift bei turnusgemäßen Neubesetzungen ab 2016 – männliche Aufsichtsräte müssen also nicht vorzeitig ihr Amt aufgeben. Die 30-Prozent-Quote betrifft Unternehmen mit mehr als 2000 Mitarbeitern, die börsennotiert und voll mitbestimmungspflichtig sind. Rund 3500 weitere Betriebe sollen sich selbst verbindliche Ziele für die Erhöhung des Frauenanteils im Aufsichtsrat setzen.

 

„Wir können es uns nicht leisten, auf die Kompetenz der Frauen zu verzichten“, begründete Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den in Unionskreisen umstrittenen Beschluss. Grüne und Linke verspotteten den Kompromiss der schwarz-roten Koalition als „Quötchen“. Wirtschaftsvertreter forderten dagegen, auf eine gesetzliche Regelung komplett zu verzichten.

Bei der Besetzung der Kontrollgremien müsse „das entscheidende Kriterium die fachliche Qualifikation sein“, kritisierte die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA). Es wäre „verfassungsrechtlich fragwürdig, eine Wahl wegen des falschen Geschlechts für nichtig zu erklären“. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) rief die Bundesregierung auf, „eine zusätzliche EU-Quotenvorgabe“ abzulehnen. Brüssel will Großkonzerne ab 2020 verpflichten, 40 Prozent der Aufsichtsratsposten mit Frauen zu besetzen.

Es gibt nur eine Aufsichtsratsvorsitzende in Dax-Konzernen

Selbst Unternehmen, die den Anforderungen bereits gerecht werden, lehnen eine gesetzliche Quote ab. So bestätigte ein Sprecher des Pharmakonzerns Merck, in dessen 16-köpfigem Kontrollgremium sechs Frauen sitzen, eine frühere Aussage von Vorstandschef Karl-Ludwig Kley. „Es entbehrt jeglicher wirtschaftlicher Vernunft, Frauen nur deswegen in Führungspositionen zu bringen, um eine Quote zu erfüllen“, hatte Kley gesagt. Auch die bislang einzige Aufsichtsratsvorsitzende eines Dax-Konzerns, Henkel-Chefkontrolleurin Simone Bagel-Trah, hat Frauenquoten in der Vergangenheit wiederholt abgelehnt.

Der Energiekonzern RWE, dessen Vorstandsvorsitzender Peter Terium im vergangenen Jahr ein Pilotprojekt zur Steigerung des Frauenanteils in den Aufsichtsräten von Tochter- und Beteiligungsunternehmen gestartet hat, äußerte sich ebenfalls skeptisch. „Wir würden uns wünschen, dass die individuelle Situation einzelner Unternehmen berücksichtigt wird. Es macht einfach einen Unterschied, in welcher Branche Sie aktiv sind“, sagte eine Sprecherin. So fänden sich in den für RWE relevanten technischen Fakultäten der Universitäten vergleichsweise wenig Kandidatinnen für Aufsichtsratsposten. Gegenwärtig sind bei dem Energieriesen 15 Prozent der Mandate im Kontrollgremium in Frauenhand. Das Beispiel Daimler zeigt, dass auch in klassischen Männerdomänen mehr möglich ist: 25 Prozent der Aufsichtsräte des Autobauers sind weiblich.

Laut einer Auswertung der Wirtschaftsauskunftei Bürgel liegt der Frauenanteil in den Aufsichtsräten deutscher Energieversorger derzeit bei 13 Prozent. Er ist damit niedriger als in allen anderen Branchen. Aber selbst im Gesundheits- und Sozialwesen ist nur jedes vierte Aufsichtsratsmitglied eine Frau. Unter den Bundesländern belegt den Bürgel-Zahlen zufolge Baden-Württemberg den letzten Platz: Nur 14 Prozent der Aufsichtsräte im Land sind weiblich, an der Spitze liegt Brandenburg mit 23 Prozent. Bundesweit kommen die 18 000 von Bürgel erfassten Aufsichtsräte auf einen Frauenanteil von 17 Prozent.

Das Deutsche Aktieninstitut schwört auf Freiwilligkeit

Das Deutsche Aktieninstitut hält eine gesetzliche Quote gleichwohl für überflüssig. Seit 2011 habe sich in den 160 Unternehmen, die in den wichtigsten deutschen Aktienindizes Dax, M-Dax. S-Dax und Tec-Dax gelistet sind, der Frauenanteil in den Aufsichtsräten verdreifacht. Das Institut führt diesen Anstieg auf die Empfehlung der Kommission für Corporate Governance zurück, Frauen bei der Besetzung von Aufsichtsräten stärker zu berücksichtigen. Dies zeige, dass Selbstverpflichtungen der Wirtschaft genügend Druck entfalten.

Allerdings haben nicht einmal alle Dax-30-Konzerne eine Frau im Aufsichtsrat – obwohl diese Unternehmen besonders im Fokus der Öffentlichkeit stehen. Ein Beispiel ist der Gesundheitskonzern Fresenius. „Bei der Frauenförderung geht es um mehr als Aufsichtsratspositionen“, sagte ein Unternehmenssprecher der Nachrichtenagentur dpa. Bei Fresenius seien 30 Prozent der 1000 Spitzenpositionen mit Managerinnen besetzt.

Erfreut über die Quotenpläne zeigte sich der Verein Frauen in die Aufsichtsräte (Fidar), der sich seit Jahren für eine entsprechende Vorschrift einsetzt. Mit der Einigung zwischen SPD und Union sei „der Weg für den Kabinettstisch freigemacht“, sagte Fidar-Präsidentin Monika Schulz-Strelow. Schützenhilfe hätten dabei – ganz entgegen ihren Absichten – die CSU und CDU-Fraktionschef Volker Kauder geleistet, sagte Schulz-Strelow der Stuttgarter Zeitung. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt hatte kürzlich kritisiert, eine Frauenquote beschränke den Handlungsspielraum von Unternehmen. CDU-Fraktionschef Kauder wiederum hatte der zuständigen SPD-Ministerin Manuela Schwesig vorgehalten, sie agiere in der Quoten-Debatte „weinerlich“. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagte dazu am Mittwoch: „Wegen so ein bisschen Quote, Herr Kauder, müssen sie doch wirklich nicht so rumweinen. Also in der Jugendsprache würde man sagen: Heul doch!“