Die Fraunhofer Gesellschaft hat einen innovativen Verbrennungsofen entwickelt. Dieser erhielt nun den Publikumspreis der Siemens-Stiftung.

Vaihingen - Laut den Zahlen der Weltgesundheitsorganisation WHO sterben jedes Jahr rund vier Millionen Menschen an den Folgen von Schadstoffemissionen aus offenen Feuerstellen. Selbst das Verbrennen von Mist, Holz und Kohle kann massiv gesundheitsschädigend sein – von Kunststoffen ganz zu schweigen. „Viele der Betroffenen wissen sogar, welcher Gefahr sie sich aussetzen.“ Davon ist Mohammad Aleysa überzeugt. Der Ingenieur ist Leiter des Fachgebiets Verbrennungssysteme am Institut für Bauphysik (IBP) der Fraunhofer Gesellschaft mit Sitz in Stuttgart-Vaihingen und hat sich intensiv mit der Problematik auseinandergesetzt.

 

Der Ofen besteht größtenteils aus Ton

„Wer keine andere Wärmequelle hat, für den gilt häufig: Die Kälte tötet schneller als die eingeatmeten Giftstoffe. Also wird alles verheizt, was zur Hand ist.“ Aleysas Antwort auf das Problem heißt WAFFCO. Hinter dem Kürzel für Waste-Fuel Free Combustion, verbirgt sich ein geschlossener Biomasse-Verbrennungsofen ohne gesundheitsschädigende Begleiterscheinungen. Zwei Jahre lang haben der Ingenieur und sein Team an der Umsetzung dieser Idee getüftelt. Jetzt wurde sie mit dem Publikumspreis des Empowering People Awards der Siemens Stiftung ausgezeichnet – als technische Innovation, die das Leben der Menschen in Entwicklungsregionen auf lange Sicht entscheidend verbessern könnte.

Besonderen Wert legt Mohammad Aleysa auf die Feststellung, dass es sich bei WAFFCO um eine vergleichsweise einfache Lösung handelt – nicht nur in der Handhabung, sondern auch in der Produktion: „Komplizierte Geräte zu entwerfen, ist natürlich eine Herausforderung. Technologie auf einem Level zu halten, das es ermöglicht, die Geräte mit einfachen Mitteln gebaut werden können, ist aber fast noch schwieriger.“ Der hauptsächlich aus Ton bestehende Ofen, der auch als Herd fungiert, lässt sich auch mit den einfachen Mitteln herstellen, die dort zur Verfügung stehen, wo er zunächst zum Einsatz kommen soll: in Ghana.

Die Öfen werden in Ghana gebaut

„Wir wollen den Menschen dabei helfen, ihre Probleme in den Griff zu bekommen und die anfallenden Abfälle, etwa getrocknete Kokosnussschalen oder Maisreste sowohl ökonomischer als auch ökologischer zu verbrennen“, erklärt Aleysa. „Es geht uns aber nicht darum, Technologie nach Afrika zu exportieren. Die Öfen sollen in Ghana gebaut werden. Deshalb umfasst unser Projekt auch Lehrgänge in vorerst vier Produktionsstätten vor Ort.“ Zwei Ingenieure und ein Techniker sollen die Voraussetzungen schaffen, sodass in einem ersten Schritt 25 Exemplare entstehen können. Der Kaufpreis pro Stück liegt bei 30 bis 40 US-Dollar. Damit ist die IBP-Schöpfung selbst bei einem mageren Tagesverdienst von drei Dollar, wie er in Ghana üblich ist, erschwinglich.

Wasserreinigung inklusive

Eine Produktion im größeren Maßstab wäre wünschenswert, zumal die Abscheidung von Feinstaub und die Oxidation von brennbaren Rauchgasbestandteilen mittels patentierter Fraunhofer-Technologie nicht der einzige Vorzug des Spezialofens ist: Ein zusätzliches Modul ermöglicht auch die Umwandlung von verunreinigtem Nass in wertvolles Trinkwasser. Der Ansatz klingt dermaßen schlüssig, dass man sich fragt, warum in den Entwicklungsländern selbst noch niemand auf ähnliche Ideen gekommen ist. „Die Antwort ist einfach“, stellt Aleysa fest. „Wer mit Überleben und der Bewältigung seines Alltags beschäftigt ist, hat keine Muße, sich mit solchen Projekten zu befassen. Aus dem gleichen Grund fehlt es oft auch noch am Bewusstsein für ökologische Probleme. Unsere Arbeit ist hoffentlich auch in diesem Sinne ein kleiner Beitrag zum Wandel.“

Gern hätte der Fraunhofer-Projektleiter seine Idee auch andernorts zum Einsatz gebracht. „Ich wollte die Öfen auch in Flüchtlingslagern in der Türkei oder im Libanon einsetzen“, sagt der gebürtige Syrer. „Ich weiß über Familienangehörige, wie gut man sie dort brauchen könnte, aber die Verantwortlichen vor Ort hatten kein Interesse. Sie wollen sich nur die Taschen mit Geld füllen. Ob die Menschen in den Lagern eine Wärmequelle haben oder nicht, ist ihnen gleichgültig.“

Kunststoff soll zu Heizöl werden

Umso mehr freut sich Aleysa, dass sein Projekt den Publikumspreis gewonnen hat: „Diese Auszeichnung zeigt, dass nicht nur eine Fachjury erkannt hat, welche Möglichkeiten in WAFFCO stecken. Dass viele Menschen erkannt haben, wie wichtig das Thema ist, macht mir Hoffnung, dass wir künftig Partner gewinnen können, um unsere Vision weiter voranzutreiben.“ Und die endet nicht beim Verbrennungsofen. „Wir arbeiten derzeit an mobilen Anlagen, die Kunststoffe aufnehmen und direkt in Heizöl umwandeln können“, sagt Mohammad Aleysa. „Aus einem Kilogramm brennbarem Plastik lassen sich ungefähr 0,9 Liter Öl gewinnen. Wenn man allein bedenkt, wie viel Kunststoff jährlich ins Mittelmehr geworfen wird, dann liegt darin ein immenses Potenzial.“