Die Polizei ist vorsichtshalber auch da, denn die Situation ist angespannt: Am Samstag demonstrieren Tierschützer vor dem Betrieb der Familie Kaiser. Zwei Tage zuvor hatten Unbekannte die exotischen Rinder der Zirkusleute freigelassen.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Freiberg/Neckar - Kurz vor der Aufführung muss Edmund Kaiser seine Wut dann doch herausschreien: „Die Leute kommen mit ihren Kindern, und hier steht überall Polizei“, ruft der Zirkusdirektor, „das ist eine Schweinerei!“ Am Samstag haben sich rund 15 Demonstranten der Tierrechtsinitiative Stuttgart vor dem Eingang zum Zirkus aufgestellt. Sie verteilen Flugblätter und halten den Besuchern Plakate entgegen. „Zirkus – kein Spaß für Tiere“, steht auf einem, „Tierquälerei ist keine Unterhaltung“ auf einem anderen. Die Familie Kaiser verfolgen sie seit Januar, es ist ihr sechster Protesteinsatz. Bei seiner Tour durch die Region Stuttgart ist der Zirkus heftig attackiert worden: Plakate wurden mit Schmähparolen überklebt und sogar Tiere frei gelassen.

 

Vor der Aufführung noch entspannt

Eine Stunde vor der Aufführung war Edmund Kaiser noch entspannt. „Die paar Demonstranten tun uns keinen Abbruch“, sagte der 67-Jährige. Zumal er die amtliche Bestätigung hat, die Tiere ordnungsgemäß zu halten. Jedem, der sie sehen will, legt er die Pässe seiner 80 Tiere vor. Der letzte Stempel stammt vom Ludwigsburger Amtstierarzt. Er war am 28. Februar da. Wenn der Zirkus in einen neuen Landkreis kommt, wird er unangemeldet kontrolliert. Die Lizenz zur Zurschaustellung von Tieren wurde den Kaisers am 16. Januar vom Landratsamt Esslingen erneuert. „Wir leben nicht von den Tieren, wir leben für die Tiere“, sagt Edmund Kaiser.

Das Stallzelt teilen sich Kamele, Esel, Shetland-Ponys, Rinder und Pferde. Kein Tier hat jemals in freier Wildbahn gelebt, sie stammen aus Zoos, eigener Zucht oder anderen Zirkussen. Kein Tier ist angebunden, keines im Käfig. Sie haben Gehege, laut Edmund Kaiser größer als gesetzlich vorgeschrieben, die einzelnen Pferde eine Box für sich. Draußen auf der Wiese tummeln sich Lamas, Antilopen und Vogelstrauß. Der Zirkusdirektor führt seinen Betrieb gerne vor. In einer Nummer treten die Esel Otto und Helga mit den Büffeln und Kamelen auf. Sie drehen sich auf Kommando, legen sich hin und stellen ihre Vorderbeine auf Podeste. Bis eine solche Dressur steht, dauert es zwei bis drei Jahre. „Jeder Mensch weiß doch, dass ein Tier Angst bekommt, wenn man es schlägt“, sagte er schon etwas lauter. „Aber mit Angst kann man kein Tier dressieren.“

Nun ist er mit der Geduld am Ende

Edmund Kaiser ist mit der Geduld am Ende. In Freiberg fand der Höhepunkt der Sabotageakte statt, die seiner Meinung nach allesamt von den Tierschützern verübt wurden: In der Nacht zum Donnerstag liefen zwei Bisons auf die Straße nach Pleidelsheim. Zehn Rinder waren ausgebüxt, weil die Gatter im Stallzelt geöffnet worden waren, stellte die Ludwigsburger Polizei fest. Hinzu kommt, dass am Donnerstag wenig Zuschauer kamen, am Freitag nicht genug für eine Vorstellung. Wenn er nach seiner wirtschaftlichen Situation befragt wird, sagt Edmund Kaiser nur knapp: „Wir leben.“ Die ganze 30-köpfige Familie ist im Betrieb. „Wegen diesen Kadetten werfen wir doch den Zirkus nicht hin“, ruft er. „Das ist unser Beruf!“ Und zwar seit 270 Jahren.

Von den frei gelassenen Rindern will Pavel Leonidov nichts wissen. „Das ist eine Lügengeschichte“, sagt der Sprecher der Tierrechtsinitiative Stuttgart, „wir haben damit nichts zu tun.“ Der junge Mann glaubt, dass die Tiere aus eigener Kraft ausgebrochen seien, da sie in Freiheit leben wollten. Seine Initiative demonstriere friedlich für eine Gesetzesänderung: „Wir lehnen die Tierdressur und die Wildtierhaltung grundsätzlich ab“, sagt Pavel Leonidov. Im Zirkus würden die Tiere genötigt und gedemütigt, ihnen würden Schmerzen zugefügt und hoher psychischer Stress. Er findet es fraglich, ob man die Stempel vom Veterinäramt ernst nehmen kann. „Vielleicht war es eine Einzelperson aus Frustration, weil auf Gesetzesebene nichts passiert“, sagt er noch zu den Sabotagefällen.

Kaiser kann sich nicht mehr zurückhalten

Als am Samstag nach und nach Zuschauer zum Zirkuszelt am Neckar laufen und von den Tierschützern in Empfang genommen werden, kann sich Edmund Kaiser nicht mehr zurückhalten. Erst schimpft er, dann verschwindet er in seinem Wohnwagen. Simone Keller-Kurz lässt sich von den Tierschützern nicht irritieren. Ihr sechsjähriger Sohn hat die Werbeplakate gesehen und wollte in eine Vorführung gehen. „Circus Kaiser, der mit den vielen Tieren“, lautet der Spruch. Sie schauen sich das Stallzelt an und finden alles in Ordnung. „Ohne Tiere würden wir nicht in den Zirkus gehen“, sagt die Freibergerin, „nur mit Akrobaten ist es für Kinder doch langweilig.“ Bevor er sich so sehr aufregen musste, hatte auch Edmund Kaiser gesagt: „So lange es Kinder gibt, gibt es Zirkus.“