Eigentlich sollte im September Schluss sein für die Doping-Kommission. Nun hat die Vorsitzende Paoli einen Aufschub erstritten: Die Frist wird bis zum Jahreswechsel verlängert, damit neue, brisante Akten noch ausgewertet werden können.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Die Kommission zur Aufarbeitung der Freiburger Doping-Vergangenheit erhält einen letzten Aufschub. Die Experten unter Leitung der Kriminologin Letizia Paoli müssen ihre Arbeit nun doch nicht bis Ende September abschließen, sondern haben noch Zeit bis zum Jahreswechsel. Damit kommen die Universität Freiburg und das Stuttgarter Wissenschaftsministerium einem Wunsch Paolis nach. Sie begründet die Fristverlängerung mit dem Auftauchen neuer, wichtiger Akten aus dem Kultusministerium, die erst ausgewertet werden müssten.

 

Bei einem Krisengipfel im Februar hatten sich Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) und der Unirektor Hans-Jochen Schiewer mit der Kommission auf einen Abschluss bis zum Herbst verständigt. „Demgegenüber stellt die von Paoli in Aussicht gestellte Übergabe eines Abschlussberichtes zum Jahreswechsel zwar eine Verzögerung dar, die aber von der Universität Freiburg in Abstimmung mit dem Wissenschaftsministerium hingenommen wird“, bestätigte ein Sprecher Bauers auf StZ-Anfrage. Eine weitere Verzögerung, die angesichts der bisherigen Erfahrungen mit der Kommission als nicht ausgeschlossen gilt, wollen die beiden Institutionen jedoch nicht dulden.

Tausende neue Aktenseiten auszuwerten

Bei den neuen Akten aus dem Kultusministerium (die StZ berichtete) handelt es sich laut Paoli um „tausende Seiten“, die der Kommission erst nach Verzögerungen und Widerständen zur Verfügung gestellt worden seien. In diesem Zusammenhang erhebt sie schwere Vorwürfe gegen einen inzwischen pensionierten Referatsleiter, die jetzt von Stochs Ressort untersucht werden. Er habe die Existenz der Unterlagen, deren Bedeutung „sehr hoch einzuschätzen“ sei, lange vor der Kommission verborgen. Es gehe unter anderem um Korrespondenz zwischen dem früheren Sportarzt Armin „Doc“ Klümper und CDU-Ministerpräsidenten sowie um Akten „explizit zum Thema Doping und Finanzzuweisungen“. Der jetzt gewährten Fristverlängerung war ein harter Poker zwischen Paoli und dem Land vorausgegangen.

Dabei hatte sie vor gravierenden Folgen gewarnt, wenn ihre Arbeit tatsächlich vorzeitig abgebrochen würde. In diesem Fall drohten etwa rechtliche Auseinandersetzungen zwischen der Uni Freiburg und der Universität im belgischen Leuven, an der sie als Professorin tätig ist. Begründung: es stelle einen Bruch der vertraglich vereinbarten Regeln für die Zusammenarbeit dar, wenn eine vollständige Aufklärung verhindert werde. In Leuven habe daher „großes Befremden und Sorge“ geherrscht. Zudem verwies die Professorin auf erhebliche urheberrechtliche Probleme, wenn Gutachten ohne ein abschließendes Votum der Kommission veröffentlicht würden. Betroffene Mitverfasser erwögen für diesen Fall rechtliche Schritte und hätten sich bereits anwaltlichen Beistand gesichert.

Zeugen drohen dem Land mit Rückzieher

Unterstützung erhielt die Kommissionschefin von mehreren Zeitzeugen, die sie und ihre Kollegen gehört hatten. Diese drohten damit, ihre Aussagen zurückzuziehen oder die Verwertung zu untersagen, wenn die Aufklärung vorzeitig abgebrochen würde, schrieb sie an die Landesregierung. Als Beleg zitierte sie mehrere Stellungnahmen, in denen sich Betroffene kritisch über das Vorgehen von Land und Uni äußerten. So schrieb etwa der einstige Chefermittler im Verfahren gegen Klümper an Paoli, er habe sich im Vertrauen darauf zur Verfügung gestellt, „dass die Kommission unter Ihrer Leitung, unabhängig und somit ohne Beeinflussung politischer und anderer Interessen, . . . ihre Arbeit verrichten kann“. Wenn dies nicht mehr gewährleistet sei, dürfe seine Aussage nicht verwertet werden. Andere Zeugen bezweifelten den Aufklärungswillen der Uni Freiburg und betonten, sie sähen eine umfassende Aufarbeitung nur durch Paoli gesichert. Eine einstige Sportlerin, heute Anti-Doping-Aktivistin, nannte es „untragbar und unsäglich“, wenn – wie erwogen – Gutachten ohne abschließende Bewertung durch die Kommission veröffentlicht würden. Es sei zu vermuten, dass ein solches Vorgehen „aus unlauteren Motiven“ erfolgen würde, wurde sie zitiert.