Das Schicksal einer Mutter und ihrer sechs Kinder empört die Freiburger. Viele Stadträte verlangen, dass die Roma-Familie nach Freiburg zurückkehren darf – Grün-Rot beharrt darauf, dass Recht und Gesetz eingehalten wurden.

Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)

Freiburg - Die Abschiebung war angekündigt, aber niemand glaubte ernsthaft, dass sie im Winter auch stattfinden würde. Immerhin gab es auch zu Zeiten der CDU-FDP-Landesregierung einen Abschiebestopp im Winter. Doch vor zwei Wochen, am 20. Januar, wurde die in Freiburg lebende Familie Ametovic in ihr Heimatland Serbien abgeschoben. So wie 120 abgelehnte Asylbewerber. Die Ametovics sind Roma, und ihr Fall hat in Freiburg zu großer Aufregung geführt. Das Jugendhilfswerk (JHW), einer der wichtigsten Träger der Kinder-, Jugend und Familienhilfe, die Sadbera Ametovic (29) und ihre sechs Kinder im Alter zwischen zehn Jahren und 15 Monaten betreut hatte, schickte zwei Mitarbeiterinnen nach Serbien, damit sie sich ein Bild über die Zustände in dem Roma-Lager machen sollten, in dem die Familie gelandet ist. „Mir ist der Kragen geplatzt“, räumt Carlos Mari, der JHW-Chef, freimütig ein. „Es ist ein Skandal, dass sich der grüne Ministerpräsident auf Recht und Ordnung beruft, es gibt auch die humanitäre Seite“, schimpft Mari. Die sei dramatisch missachtet worden. Offensichtlich schicke man nun – nach der Änderung des Asylrechts, der Ministerpräsident Winfried Kretschmann im Bundesrat zugestimmt hat – in raschem Tempo die Roma auf den Balkan zurück, um Platz für Kriegsflüchtlinge aus Syrien zu machen. „Es gibt und gab schon immer eine Klassengesellschaft unter den Migranten“, sagt Mari – und die Roma stehen dabei ziemlich weit unten.

 

Die betreuende Familienhelferin spricht von einem Schock

„Die Abschiebung der Ametovics war für uns alle ein Schock“, sagt Dajana Reiser. Die Familienhelferin hat Mutter und Kinder betreut und sie jetzt im Roma-Lager Niš in Serbien besucht. „Alle Kinder sind krank, die Mutter ist krank, sie haben kein Geld, sie wohnen unter grauenhaften Bedingungen.“ Im Bericht der Delegation ist von verschimmelten Wänden, und kaputten Decken die Rede. Es gibt kein Wasser und keine Heizung, die Kinder schlafen auf dem Boden. „Es ist Aufgabe der serbischen Behörden, diese Zustände zu ändern“, sagt dazu Andreas Schanz, Sprecher des Innenministeriums. Das Ministerium von Reinhold Gall (SPD) ist für die Abschiebung zuständig, das Staatsministerium verweist alle Anfragen dorthin.

Laut Innenministerium hat die Familie eine Notunterkunft abgelehnt

„Nach unseren Informationen ist die Familie in Serbien gut angekommen und bekam von den Behörden dort eine Notunterkunft angeboten“, sagt Schanz. Diese habe sie aber abgelehnt, weil sie lieber in das Roma-Lager Niš wollte, wo sie herkam. Minister Gall habe sich Anfang Dezember 2014 in Serbien selbst ein Bild gemacht. Das war allerdings in Sabac, nicht im 320 Kilometer entfernten Niš. „Nach unseren Informationen wurde der Familie Ametovic keine Wohnung angeboten. Sie wurden am Flugplatz auch nicht abgeholt“, berichtet Carlos Mari. Danach seien sie zu Fuß kilometerweit durch die Kälte zum Bahnhof marschiert, Geld für Fahrkarten hatten sie nicht. Im Zug nach Niš fielen sie ohne Billet auf, jetzt droht ein Bußgeld. „Es ist ein krasser Einzelfall, aber er ist von allgemeiner Bedeutung“, betont Julien Bender. Der SPD-Kreisvorsitzende hatte sich auf eigene Initiative der JHW-Delegation angeschlossen. Wie seine Parteifreundin, die Landtagsabgeordnete Gabi Rolland, haben sich die Freiburger Sozialdemokraten für die Familie ein-, aber in ihrer Partei nicht durchgesetzt. Eine Petition blieb erfolglos. „Es war geplant, einen Härtefallantrag zu stellen“, sagt Gabi Rolland. Sie will jetzt den Bericht des Innenministers abwarten. Über Kreuz mit ihren Landesoberen gerät auch die aus Freiburg kommende Grünen-Fraktionsvorsitzende Edith Sitzmann. Vom Krankenbett ließ sie mitteilen, dass sie sich dafür einsetze, die JHW-Delegation im Petitionsausschuss anzuhören. Viele Freiburger setzen sich für eine Rückkehr der Familie ein. 12 000 Euro an Spenden sind schon zusammengekommen.