Ungewöhnlicher besuch an der Freien Aktiven Schule in Degerloch: Ein Künstler aus Palästina und ein Tai-Chi-Lehrer aus Israel haben den Jugendlichen gezeigt, dass und wie sie dem Hass zwischen ihren Völkern widerstehen.

Degerloch - Eid Hatahleens Haus hat ein rotes Dach aus Pappe. Er bastelt es aus einem Karton, der auf dem Boden des Kunstraums der Freien Aktiven Schule (FAS) steht. Wie das Kunstwerk am Ende aussieht, sei ihm gar nicht so wichtig, sagt er. „Hauptsache, mein Haus wird nicht wieder abgerissen“, sagt er. Der palästinensische Künstler hat einen Scherz gemacht. Denn die israelische Armee dürfte wohl kaum einen Abstecher nach Degerloch unternehmen, um ein Kunstobjekt aus Pappe zu zerstören.

 

Die beiden sind seit Jahren befreundet

So ist es mit dem Haus aus Beton geschehen, das der palästinensische Künstler in einem Dorf in der Nähe der Stadt Hebron besessen hat. Hebron liegt im von Israel besetzten Westjordanland. In der Stadt wachsen die israelischen Siedlungen, während die Wohngebiete der Palästinenser schrumpfen. Die beiden Völker stehen sich auf engstem Raum feindselig gegenüber. Doch der palästinensische Künstler ist ausgerechnet mit dem israelischen Tai-Chi-Lehrer Eyal Shani nach Deutschland gereist. Sie wollen Kindern und Jugendlichen zeigen, wie sie es schaffen, dem Hass zu widerstehen. Beide sind seit Jahren befreundet, obwohl sie nicht nur verfeindeten Völkern angehören, sondern auch unterschiedliche Dinge tun. Der eine stellt Kunstwerke her, der andere unterrichtet die chinesische Bewegungslehre Tai-Chi.

Die beiden verbindet seit Jahren eine tiefe Nähe, erzählt der Palästinenser. Wie und wo diese Beziehung entstanden ist, erzählt er nicht im Detail. „Die Leute begegnen sich“, sagt er bloß. Es klingt, als wäre es nicht ungewöhnlich, dass Menschen miteinander verbunden sind, deren Völker mit Betonwällen voneinander ferngehalten werden.

An der FAS gibt es eine Arbeitsteilung zwischen den beiden Freunden aus Nahost. Eid Hathaleen arbeitet mit einigen Schülern, die sich aus Pappe, Papier und Klebstoff ein imaginäres Zuhause schaffen. Eyal Shani übt mit anderen in der Sporthalle der Schule Bewegungsabläufe ein.

Mal geht es ruhig zu, mal wird es richtig sportlich. Beispielsweise wenn die Schüler sich in verschiedenen Rollen jagen. Einer ist dann die Maus und rennt vor der Katze davon. Wenig später darf er selbst jemand anderem hinterherjagen, der nun die Maus spielt. Die Schüler haben Spaß dabei. Nach der Übung müssen sie aber erst einmal nach Luft ringen.

Angst vor der Rache hält Teufelskreislauf am Leben

Shani erklärt ihnen auf Englisch, dass das Katz- und Mausspiel nicht nur rasant sei, sondern ein Gleichnis für Konflikte. Wenn Menschen sich in Kategorien einteilen, sei schnell der eine der Täter und der andere das Opfer. „Doch können sie auch die Rollen tauschen“, sagt er. Die Angst der einen vor der Rache der anderen halte den Kreislauf von Gewalt aufrecht, sagt er. Er lässt die Kinder einen Kreis bilden. Alle halten sich an den Händen. „Wir können die Gewalt aber unterbrechen, indem wir uns unterstützen“, sagt Shani.

Karin Fietzek, die Mutter eines Schülers der FAS, hat den Israeli während eines Tai-Chi-Kurses in der Schweiz kennengelernt. Gemeinsam mit einer deutschen Freundin hat sie mehrere Einladungen für Eyal Shani und Eid Hathaleen organisiert. An der FAS haben sich 30 Schüler gemeldet, die mit ihnen einen Vormittag arbeiten wollen. Viele wechseln hin und her zwischen dem Kunstraum der Schule und der Turnhalle.

Die 17-jährige Juliane Stickl ist von der Freundschaft der beiden beeindruckt. Sie fand es auch überzeugend, wie sie für einen Rollenwechsel plädieren. „Jeder kann mal die Maus sein oder eben die Katze“, sagt sie.

Eyal Shani hofft, dass die deutschen Schüler lernen, wie sie beispielsweise Konflikte lösen können. „Wir müssen mit uns selbst in Kontakt kommen, dann können wir den anderen verstehen“, sagt er. Trotz aller schlechten Nachrichten aus seiner Heimat scheint er fest zu glauben, dass die Menschen die Lust am Katz- und Mausspiel noch verlieren können.

Unterstützung fürs Projekt:

Das Projekt von Eyal Shani und Eid Hathaleen „The Art of Peace“ sucht Förderer. Informationen gibt es bei Karin Fietzek per Mail an karin.fietzek@gesundheitsbande.de.