Mit einem gemeinsamen Auftritt fast aller Chefs machen sich die deutschen Autobauer für einen Abschluss des umstrittenen Freihandelsabkommens TTIP stark. Ihre Betriebsräte mahnen: Die Arbeitnehmer-Rechte dürften nicht leiden.

Berlin - Mit einem gemeinsamen Auftritt in Berlin haben die Vorstandsvorsitzenden deutscher Autokonzerne und Zulieferer an die Politik appelliert, die Verhandlungen über das europäisch-amerikanische Freihandelsabkommen TTIP zügig abzuschließen. Mit der Präsenz der Vorstandschefs bringe die Automobilindustrie zum Ausdruck, wie wichtig das Abkommen für die deutschen Hersteller und Zulieferer sei, sagte Matthias Wissmann, Präsident des Automobilverbands VDA. Die deutsche Wirtschaft dürfe nicht den Kritikern des Abkommens das Feld überlassen, sagte er. Der Daimler-Vorstandsvorsitzende Dieter Zetsche warnte vor irrationalen Diskussionen. Auf eine Frage erwiderte er, ein Scheitern der Verhandlungen könne er sich nicht vorstellen, denn dies würde Wirtschaft und Verbrauchern großen Schaden zufügen.

 

Für die Autoindustrie sei das Freihandelsabkommen wichtig, um Sicherheitsauflagen und Zulassungsverfahren zu vereinfachen. Zurzeit werde beispielsweise für Crashtests, die jeweils nach europäischem und nordamerikanischem Recht nachgewiesen werden müssten, viel Geld verschwendet, sagte Zetsche. Die Sicherheitsstandards seien sowohl in der EU als auch in den USA hoch. Die unterschiedlichen Vorschriften erforderten unnötige Doppelarbeiten. Bosch-Chef Volkmar Denner sagte: „Niemand will die hohen Sicherheits- und Umweltstandards verwässern.“ Parallelentwicklungen verursachten aber unnötige Kosten.

Die Autohersteller und Zulieferer unterstrichen mit ihrem Auftritt mit dem Slogan „Ja zu TTIP“ die Bedeutung für die Arbeitsplätze. „Wir können die hohe Anzahl von Fabriken in Deutschland nicht halten, wenn wir uns dem Freihandel verschließen“, sagte BMW-Chef Norbert Reithofer. Knapp 40 Prozent des weltweiten Automobilmarktes entfielen auf die EU und die USA. Beide Handelszonen könnten mit TTIP einen weltweit einzigartigen Standard setzen. Reithofer und Zetsche hoben hervor, dass wegen der Exportstärke der deutschen Autoindustrie das Abkommen unverzichtbar sei. Nach wie vor würden die meisten Fahrzeuge in deutschen Werken produziert. Auch der überwiegende Teil der Beschäftigten sei im Inland tätig. Gleichzeitig sei aber der Großteil der Fahrzeuge für ausländische Absatzmärkte bestimmt. Aus der Sicht der Autobosse können die Strukturen nur aufrecht erhalten werden, wenn sich Europa für die großen Handelsräume öffnet. Die Absatzmärkte in Deutschland und Europa reichten längst nicht mehr aus.

Neue Handelsbarrieren sollen erst gar nicht entstehen

Bernhard Mattes, Chef der Ford-Werke, machte die Bedeutung der Internationalisierung anhand der Absatzentwicklungen deutlich: „Das Wachstum findet vor allem außerhalb Europas statt.“ Laut Mattes hat sich der Neuwagenabsatz in den vergangenen fünf Jahren in China mehr als verdoppelt, in den USA sei er um 60 Prozent gestiegen. Westeuropa habe nach vier Jahren des Rückgangs erstmals 2014 wieder leicht zugelegt. Gerade weil sich die Wachstumsschwerpunkte verschöben, sei ein Freihandelsabkommen mit den USA elementar.

Porsche-Chef Matthias Müller erwartet von TTIP, dass in Zukunft Handelsbarrieren gar nicht erst entstehen. Bei der Entwicklung von Elektrofahrzeugen hätten der Gesetzgeber in Europa und in den USA die Chance, von Anfang an einheitliche Standards zu setzen. Mit ihrem Bekenntnis will die Autoindustrie ein Beitrag zur Versachlichung der Debatte leisten. Die Diskussion dürfe nicht auf Stammtisch-Niveau geführt werden, meinte Audi-Chef Rupert Stadler. Auch wenn die Konzernchefs sagten, die Gewerkschaften sähen die Chancen eines Freihandelsabkommen, kommen von dort skeptische Signale. Die IG Metall und die Betriebsratschefs der Automobilindustrie erklärten, dass in den TTIP-Verhandlungen die Arbeitnehmerrechte gleichrangig mit ökonomischen Interessen betrachtet werden sollten. Die IG Metall unterstützt zwar das Ansinnen, technische Standards zu vereinheitlichen und Handelsbarrieren abzubauen. Die Gewerkschaft lehnt aber den geplanten Investorenschutz und Schiedsgerichte strikt ab. Der Investorenschutz würde es privaten Unternehmen ermöglichen, Staaten vor Schiedsgerichten zu verklagen.