Die sieben Freilichtmuseen in Baden-Württemberg stehen vor der Saisoneröffnung. Führende Landräte warnen jetzt vor dem Verfall von insgesamt 160 historischen ländlichen Gebäuden.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Bad Schussenried - Die siebziger Jahre sind eine goldene Zeit für das aufstrebende Wirtschafts- und Sozialleben im Land gewesen. Die Politik raffte sich zu großen strukturpolitischen Würfen auf, kommunal geführte Krankenhäuser wurden in die Fläche gebaut, und auch die Kultur kam an Orte, an denen sich zuvor Fuchs und Hase gute Nacht gesagt hatten. Hervorzuheben ist die Erbauung von sieben geografisch hübsch verteilten ländlichen Freilichtmuseen, den „Sieben im Süden“, wie sie sich heute nennen.

 

Die Landbevölkerung sollte sehen und erleben können, wie die Vorfahren einst gelebt und gewirtschaftet hatten, es begann der Abbau, Transport und Wiederaufbau von insgesamt 160 vom Verfall bedrohten historischen Bauernhöfen und Werkstätten. Die Museen waren der Politik jährlich Millionen Wert, schließlich ging es darum, ein Publikum für Landesgeschichte zu interessieren, das sich sonst nie oder selten in ein Museum verirrt. Im vergangenen Jahr strömten rund 650 000 Besucher in die Freilichtmuseen, sahen beim Käsemachen zu, buken Brot, streichelten Ziegen, lauschten Blasmusik oder bestaunten die geschnitzten Heiligenfiguren in den Schlafstuben der Vorfahren.

Die wissenschaftliche Begleitung ist wichtig

Die Museen, die im Gegensatz zu vielen Kommunalkrankenhäusern alle noch da sind, liefern aber mehr als Folklore, sie achten auf wissenschaftlichen Unterbau. Der bisherige Vorsitzende der Museumsarbeitsgemeinschaft, der Biberacher Landrat Heiko Schmid, verweist auf das Großthema „Dorf unterm Hakenkreuz“ aus der Saison 2009, das für einen „wegweisenden wissenschaftlichen Anspruch“ gestanden habe. Nach sieben Jahren hat Schmid bei einer Arbeitstagung in Bad Schussenried den Vorsitz des Museumsverbundes an den Offenburger Landrat Frank Scherer weitergereicht, und diesen Moment nutzten die Kreischefs zu einer eindringlichen Mahnung an die Landesregierung. Man müsse aufpassen, so Scherer, das man nicht „das Ganze verrotten lässt“.

Die alten Bauernhäuser, die vor 30 oder 40 Jahren vor dem Verfall gerettet wurden, sind erneut ins Bröckeln gekommen. Ein bis zwei Millionen Euro pro Gebäudesanierung kämen leicht zusammen, sagt Landrat Scherer. Der Kreis Biberach beispielsweise wendet für das Museumsdorf Kürnbach jährlich eine halbe Million Euro auf. Anderswo liefern große, zusammengespannte Trägervereine die nötigen Jahreszuschüsse für Betrieb und Erhaltung der Freilichtmuseen. Das Land aber, beklagt Landrat Schmid, habe die Jahreszuschüsse für die sieben Einrichtungen seit dem Jahr 2006 bei jährlich 600 000 Euro eingefroren: Schon lange zu wenig, um „zu sanieren und neue pädagogische Konzepte zu fahren“. Noch in den 80-er und 90-er Jahren, erinnert Axel Burkarth, Leiter der Landesstelle für Museumsbetreuung, seien von Landesseite jährlich bis zu acht Millionen Mark an Zuschüssen geflossen.

Bedarfsstrukturen aus den 70-er Jahren

Burkarth erinnert daran, dass die Idee eines einzigen zentralen Landesfreilichtmuseums in den 70-er Jahren zu Gunsten dezentraler Standorte verworfen worden sei. Man könne den Erhalt der Strukturen darum jetzt nicht allein den Kommunalhaushalten vor Ort überlassen. Aktuell kommen die Subventionen, gesteuert durch das Kunstministerium, aus Mitteln der staatlichen Toto-Lotto-Gesellschaft.

Der neue Vorsitzende Frank Scherer will nun einen „Kassensturz“ zu den Freilichtmuseen machen und danach in Verhandlungen mit dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst treten. Vorterminiert sei ein Gesprächstermin mit dem zuständigen Staatssekretär Jürgen Walter am 26. November in Stuttgart. Ohne „Larmoyanz“, aber bestimmt wolle man die Nöte ansprechen, sagt der Landrat Schmid. Aus Besucherbefragungen wisse man, dass die sieben ländlichen „Kulturzentren“ auch stark von Deutschen mit Migrationshintergrund und jungen Leuten besucht würden. Das müsse stärker als bisher deutlich gemacht werden.

Das Jahresprogramm der „Sieben im Süden“

Zu den sieben Freilichtmuseen des Landes gehören das Odenwälder Freilandmuseum Walldürn-Gottersdorf, das Hohenloher Freilandmuseum Wackershofen, das Freilichtmuseum Beuren, das Schwarzwälder Freilichtmuseum Vogtsbauernhof Gutach, das Freilichtmuseum Neuhausen ob Eck, das Oberschwäbische Museumsdorf Kürnbach und das Bauernhaus-Museum Wolfegg. Der Saisonauftakt aller sieben Museen findet dieses Jahr am 6. April im Hohenloher Freilandmuseum Schwäbisch Hall-Wackershofen statt. Das Jahresthema, das in allen Museen gespielt wird, trägt den Titel „Jugend und Alter auf dem Land“. Ob Schäfertage in Beuren, Dampffest in Kürnbach, Grünkernfest in Gottersdorf, Kräutertag auf dem Vogtsbauernhof oder Kaltblütertage in Wolfegg: das Jahresprogramm ist wieder umfangreich. Alle Infos finden sich in einer gemeinsamen Broschüre, die unter Telefon 0800/7 68 73 36 kostenlos zu bestellen ist