Ein 52 Jahre alter Mann, der seine Kollegin an der Arbeitsstelle in Schorndorf auf dem Weg zur Toilette abgepasst und vergewaltigt haben soll, ist vor dem Landgericht freigesprochen worden. In dem Prozess stand Aussage gegen Aussage.

Schorndorf - Mit einem Freispruch endete am Montag ein Verfahren am Stuttgarter Landgericht gegen einen 52-Jährigen. Dem Mann war vorgeworfen worden, er habe im Juli vergangenen Jahres eine Kollegin an der gemeinsamen Arbeitsstelle in Schorndorf auf dem Weg zur Toilette abgepasst und vergewaltigt. Der Mann hatte zwar zugegeben, dass es an jenem Morgen in einem Heizungsraum zum Geschlechtsverkehr mit der Frau gekommen war, er behauptete allerdings, sie habe ihn dazu aufgefordert.

 

In diesem Fall stehe Aussage gegen Aussage, sagte der Staatsanwalt, der ebenso wie die beiden Verteidiger des Angeklagten für einen Freispruch plädierte, denn: „Mir reichen die belastenden Indizien nicht aus, um mir eine sichere Meinung zu bilden.“ Gegen den Angeklagten spreche zwar, dass er gegenüber Kolleginnen schon öfters ein distanzloses Verhalten an den Tag gelegt und diese zum Teil massiv sexuell belästigt habe. Der Angeklagte war deshalb 2013 von der Geschäftsführung seines Betriebs abgemahnt worden. Inwieweit der Mann jedoch an jenem Tag im Juli 2015 Gewalt angewandt habe, das habe sich im Zuge des Prozesses ebenso wenig klären lassen, wie die Frage, ob die Frau sich gewehrt oder alles über sich ergehen lassen habe.

Der Frau, die in dem Verfahren als Nebenklägerin auftrat, bescheinigte der Staatsanwalt, sie habe „ein Problem mit der Wahrheit“ und biege Sachverhalte „teilweise zurecht, so dass es passt“, was nicht für ihre Glaubwürdigkeit spreche. Auch seien bei einer gynäkologischen Untersuchung nach dem Vorfall keine Verletzungen gefunden worden. Er gehe daher davon aus, dass der Angeklagte sein Opfer tatsächlich in den Heizungsraum gezogen habe, allerdings nicht mit Gewalt, sondern er habe die Frau überrumpelt.

Anwältin: Opfer in Schockstarre

Die Anwältin der Frau forderte hingegen eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten für den 52-Jährigen. Sie betonte, es gebe keinen Grund, die Schilderungen ihrer Mandantin anzuzweifeln. Der Angeklagte habe die Frau auf dem Weg zur Toilette abgepasst und in den Heizungsraum gezerrt: „Für mich ist das Gewaltanwendung.“ Dass die Frau in Schockstarre gefallen sei und sich nicht heftig gewehrt oder um Hilfe gerufen habe, sei angesichts ihrer Lebensgeschichte nachvollziehbar, gelte sogar als typisch für Missbrauchsopfer. Die Geschädigte war über Jahre von ihrem Bruder sexuell missbraucht worden.

„Sie können eine Verurteilung nicht davon abhängig machen, wie stark sich ein Opfer gewehrt hat“, argumentierte die Anwältin der Frau. Sie sagte, diese leide unter einer posttraumatischen Belastungsstörung, unter Albträumen und Depressionen, und befinde sich in Therapie. Ein Ende der Behandlung sei derzeit nicht abzusehen, die Tat des Angeklagten habe alte Wunden wieder aufgerissen.

Verteidiger sieht Angeklagten als Opfer

Der Verteidiger stellte seinen Mandanten als grundsoliden Mann dar, der sich nie etwas habe zuschulden kommen lassen. Die Übergriffe auf Kolleginnen umschrieb er mit dem Satz, der 52-Jährige sei „kein Kind von Traurigkeit“, die Tatsache, dass ihn bis zum Juli 2015 nie jemand angezeigt habe zeige, dass die Vorfälle „unter der Erheblichkeitsschwelle“ gelegen hätten. Durch den Vorfall habe sein Mandant den Job verloren, eigentlich sei er das Opfer.

Das Schöffengericht sprach den Angeklagten schließlich von dem Vorwurf der Vergewaltigung frei. Nach Ansicht der Richter reichten die Beweise nicht dafür aus, um den Mann mit ausreichender Sicherheit der Tat zu überführen.