Gerhard Gehrung ist seit Freitag nicht mehr Kommandant. Brände löscht er trotzdem noch.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Plieningen - Gerhard Gehrung arbeitet am Schreibtisch gern in Hausschuhen. Auf Baustellen trägt der Vermesser stets schwere Schuhe, dagegen sind seine Schlappen eine Wohltat für die Füße. Vor dem Fenster dämmert es. Wenn es ganz dunkel ist, wird Gerhard Gehrung einen Stock tiefer in die Wohnung gehen und seine Haus- gegen Halbschuhe tauschen. Dann muss er rüber ins Feuerwehrhaus.

 

Die Männer haben sich an jenem Dienstag zum Putzen verabredet. Denn am Freitag drauf ist was los im Magazin. Die Plieninger Wehr trifft sich zur Hauptversammlung, und Frank Knödler wird kommen. Dass bei solchen Anlässen der Chef der Stuttgarter Feuerwehr höchst persönlich anwesend ist, gehört nicht zum Standard. Es sei denn, der Kommandant wechselt. Und genau so ist es. Gerhard Gehrung, 51, hört auf. Besser gesagt: Er hat am Freitag aufgehört. Nach fünf Jahren als Stellvertreter und zehn Jahren als Kommandant hat er das Amt an Dennis Mayer abgegeben.

„Ich habe ein Feuerwehr-Burnout“

An diesem Dienstagabend, als er in Hausschuhen an seinem Schreibtisch sitzt, ist Gerhard Gehrung noch Kommandant – für drei Tage. Er hat den Job gemocht, aber er kann nicht mehr. „Ich habe Feuerwehr-Burnout“, sagt er. „Das ist wie ein Job nebenher. Wenn ich nicht selbstständig wäre, könnte ich das gar nicht machen.“ Aber selbst so ist es ihm zu viel geworden.

Der Neubau des Magazins an der Bernhauser Straße hat Gerhard Gehrung sehr geschlaucht. „Das hat sich bei mir eingebrannt wie auf einer Festplatte“, sagt er. Was hat es Ärger mit den Behörden gegeben, was hat er sich mit dem Architekten auseinandersetzen müssen. „Da lassen Sie Federn, das geht an die Substanz“, sagt er. „Die Maschine läuft immer auf Hochtouren.“ Das geht auf Dauer nicht gut. Der Retter rettet sich selbst. Der Feuerwehr wird Gehrung erhalten bleiben. Einmal Feuerwehrmann, immer Feuerwehrmann.

Das Bauen als solches dürfte den Plieninger kaum gestresst haben. Der Vermessungstechniker liebt Betongeruch. Kaum war vor drei Jahren das Feuerwehrhaus fertig, hat Gehrung eine neue Baustelle begonnen: seine eigene. Er hat sich ein Holzhaus gebaut. „Ich habe mir einen Traum erfüllt.“ Der Bauplan hängt an der Wand der Noch-Wohnung an der Luzernestraße. In acht Wochen werden er und seine Frau umziehen, an den Wilhelm-Hertig-Weg.

Ein Hausbau als Therapie

„Der Hausbau war eher Therapie als Maloche“, sagt er. „Ich habe mich darin verwirklicht.“ Er hat sich zum Beispiel einen Gewölbekeller gebaut, die Kellertreppe und die Holzfassade sind ebenfalls aus seiner Hände Arbeit. Auf seinem Computer hat er in Ordnern und Unterordnern so viele Fotos von der Bauzeit gespeichert, dass es einem so vorkommt, als hätte Gehrung mehr fotografiert als geschuftet. Dabei hat er einfach beides gemacht.

Was für Gerhard Gehrung immer klar war: Er wird kein Bauer. Das hätte durchaus passieren können, denn er kommt aus einer Landwirt-Familie. Gut für ihn war, dass nicht er der Erstgeborene war, sondern sein Bruder Helmut. Den Obmann der Bauern kennt im Ort jeder. Es gibt jedoch immer wieder Leute, die nicht wissen, dass Helmut und Gerhard Gehrung Brüder sind, erzählt der Jüngere. So unterschiedlich sie sein mögen: Beide lieben den Boden, die Erde und die frische Luft. Würde Gerhard Gehrung nur am Schreibtisch sitzen, „dann würde ich eingehen“. Manchmal wechselt er seine Hausschlappen eben doch gern gegen die schweren Schuhe.