Santiago Agustin Carrara von „El Palito“ ist seit Kurzem aus Chios zurückgekehrt, aber sieben Stuttgarter Helfer sind noch da. Sie geben Suppe und Kleidung aus und empfangen die Flüchtlinge mit heißem Tee.

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)

Stuttgart - Fast täglich kommen auf der griechischen Insel Chios Flüchtlinge in Schlauchbooten an. Allein im vergangenen Monat sollen 21 000 Flüchtlinge auf Chios an Land gegangen sein. Am Hafen steht seit Mitte Dezember die Teeküche des Degerlocher Gemeinschaftsgartenprojekts El Palito, um die durchnässten Menschen mit heißem Tee zu empfangen. „Die Menschen kommen aus den Booten, blicken zum Teil zum Himmel und danken Gott dafür, dass wir da sind“, erzählt Santiago Agustin Carrara.

 

Er ist seit rund einer Woche wieder in Stuttgart, doch per Handy und Computer weiter am koordinieren. Sieben Helfer aus Stuttgart seien noch auf Chios vor Ort, darunter fünf, die zu El Palito gehören und zwei weitere Helfer, die einen Konvoi mit Kleidung organisiert hätten. Nach ihrer eigenen Ankunft auf Chios hätten sie gemeinsam mit einem Freiwilligen aus Großbritannien eine Suppenküche aufgebaut, berichtet der 30-Jährige. Vor drei Tagen seien rund 2200 Portionen Suppe an Flüchtlinge ausgegeben worden. Auch Kleidung und Schuhe werden von den Stuttgartern verteilt.

Die Helfer sind miteinander vernetzt

Die Freiwilligen des Gemeinschaftsgartenprojekts El Palito waren wie berichtet zuvor in Serbien und dann in dem Dorf Idomeni an der griechischen Grenze zu Mazedonien im Einsatz – bei Eiseskälte haben sie in Idomeni Tee ausgeschenkt, bis das Lager geräumt wurde. Anders als in Idomeni, wo sie bei Minusgraden in Zelten geschlafen haben, haben sie sich auf Chios zusammen ein Apartment in Strandnähe gemietet; auch, um wieder gesund werden zu können. Denn in Idomeni waren sie erkrankt. Sie kauften sich zudem ein Fernrohr, um vom Balkon aus ankommende Boote zu erkennen – und dann per WhatsApp andere Helfer zu alarmieren. Die Vernetzung klappe sehr gut, berichtet Santiago Agustin Carrara. Er hat zudem für Flüchtlinge ein Flugblatt erstellt mit wichtigen Informationen für den weiteren Weg, um zu verhindern, dass sie erneut an kriminelle Schlepper gelangen.

Wenn er an Chios denkt, hat Carrara nicht nur die ankommenden Flüchtlinge und die „vielen, vielen Kinder“ vor Augen, sondern vor allem auch Menschen, wie den alten Fischer Manoli. Für ihn habe es zu seiner Seemannsehre gehört, den Menschen, die aus dem Meer kamen, zu helfen. „Da ist so eine Herzlichkeit, so eine Mitmenschlichkeit unter den Seeleuten“, sagt er und muss kurz schlucken. Die wenigsten Griechen würden versuchen, aus der Situation Profit zu schlagen, im Gegenteil. Aber auch ein serbischer Soldat hat Santiago Agustin Carrara vor einigen Wochen sehr berührt: Der habe sein Gewehr zur Seite gestellt und begonnen, Holz zu hacken – „damit wir weiter Tee ausschenken konnten“.

Als nächstes geht es nach Frankreich

Santiago Carrara plant schon seinen nächsten Einsatz vor Ort. Der gelernte Kinder- und Jugenderzieher, der als Freiberufler arbeitet, versucht aktuell, eine weitere Suppenküche zu organisieren und einen Wagen. Diesmal soll es nicht wieder nach Griechenland gehen, sondern nach Nordfrankreich.

In der Region Nord-Pas-de-Calais sollen an die 3000 Flüchtlinge in zwei großen Camps gestrandet sein. Über das Freiwilligennetzwerk hat er von schlimmen Zuständen erfahren. „Die Zelte stehen da zum Teil unter Wasser, die Leute haben kein Feuerholz“, gibt er weiter, was er gelesen hat. Er will sich selbst ein Bild machen, wie schon zuvor in Serbien, in Idomeni an der mazedonischen Grenze und auf Chios – und dann über das Gesehene auf dem Netzwerk Facebook schreiben. Auch dieser Einsatz wird mit Spenden finanziert.

Die Rückreise aus Frankreich sei mit sechs Stunden Fahrtzeit unkomplizierter als eine von Chios. Das ist für ihn verständlicherweise momentan sehr wichtig – schließlich erwartet seine Freundin Ende Januar ein Baby.