Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)
Das war vor 30, 40 Jahren noch nicht selbstverständlich. Aber in diese Zeit fällt die Gründung des PKC. Ist der Kampf um seine Existenz symptomatisch für die 80er Jahre?
Nach 1945, in den 40er, 50er und 60er Jahren, ist mehr historische Bausubstanz vernichtet worden als vorher. Insofern muss man aufpassen. Der geplante Abriss der Synagoge ist nicht unbedingt ideologisch oder antisemitisch einzuordnen.
Aber was ist in dieser Zeit denn geschehen?
Aus Schweden kam die Bewegung „Grabe, wo du stehst“. Man fing an, konkret zu fragen, was vor Ort geschehen ist. Bis dahin hatte der Nationalsozialismus in Berlin stattgefunden. Nazis waren Hitler, Himmler und Goebbels.
Und dann stößt man in Freudental plötzlich auf eine Synagoge.
Das wäre ja noch nicht so schlimm gewesen. Aber es gab keine Menschen mehr zur Synagoge. Und man kann sich ja nicht mit einem Gebäude beschäftigen, ohne nach den Menschen zu fragen, die in ihm gelebt oder gebetet haben. Und dann tut’s weh. Dann kommt Hitler plötzlich in jedem Dorf an. Dann kann man sich nicht mehr mit dem Satz begnügen, dass die jüdischen Mitbürger verschwanden, wie es in dieser Zeit noch oft hieß. Ich kann mich noch an Lehrerfortbildungen erinnern, wo ich die Pädagogen ermutigt habe, die NS-Geschichte vor Ort als greifbares Beispiel zu erforschen, und die Antwort war: aber da sitzt doch jetzt der Enkel vom Ortsbauernführer oder Ortsgruppenleiter in meiner Klasse.
Was ist flankierend geschehen, dass die Synagoge in Freudental erhalten werden konnte?
Da hat auch ein Wechsel der Generationen stattgefunden. Die Köpfe, die im Nationalsozialismus etwas zu sagen hatten, waren weitgehend weg. Die Studentenrevolte wirkte nach. 1970 war Willy Brandts Kniefall in Warschau. Helmut Schmidt war 1977 als erster deutscher Kanzler in Auschwitz. Viele Sachen kamen zusammen. Es war die Zeit der Auseinandersetzung um Filbinger. Die RAF war aktiv.
Außerdem wurde 1979 die Serie „Holocaust“ im Fernsehen gezeigt.
Dazu kam der 40. Jahrestag der Pogromnacht. Er ist in der öffentlichen Wahrnehmung wichtiger als der Holocaustfilm. Es war die Zeit, als die Arbeitskreise für Regionalgeschichte gegründet wurden. Diese Gemengelage war es.