Ein Bietigheimer Jurist entwickelt gemeinsam mit einem Pflegeheim eine Software für Demenzkranke und wird dafür ausgezeichnet. Auf die Idee kam er wegen seinem Großvater.

Freudental - Marc Aurel Engels Großvater hat den Erfolg seines Enkels nicht mehr mitbekommen. Dazu beigetragen hat er trotzdem: „Er war mein Versuchskaninchen“, sagt Engels. Mit dem demenzkranken Großvater testete Engels im Kleeblatt-Pflegeheim in Freudental, wie man per Tablet ins Gespräch kommen kann. Engels merkte: Filme, Bilder und Lieder helfen dabei, Impulse für Erinnerungen zu geben. Die Idee für ein Tablet für Demenzkranke war geboren.

 

Jetzt, zwei Jahre später, wird das Tablet mit der Software „Media Dementia“ in hundert Pflegeeinrichtungen in Deutschland benutzt. Am Sonntag bekommt Aurels Startup einen Preis der Initiative „Deutschland – Land der Ideen“, einer Kooperation von Bundesregierung und dem Bundesverband der Deutschen Industrie, gefördert von der Deutschen Bank. Das Kleeblatt-Kompetenzzentrum in Freudental, das sich auf die Behandlung Demenzkranker spezialisiert hat und bei der Entwicklung des Programms beteiligt war, wird ebenfalls ausgezeichnet.

„Die Demenzkranken nehmen die Tablets als kleine Fernseher wahr“, sagt Engels. Der Jurist aus Bietigheim-Bissingen betont, dass es sich nicht um eine App handelt, sondern um ein geschlossenes System auf dem mobilen Endgerät. Sprich: es gibt keine anderen Programme darauf. Das mache es besonders einfach zu bedienen. Gesteuert werden soll das Tablet ohnehin überwiegend von den Betreuern. „Die jetzige Generation Demenzkranker ist nicht computeraffin“, sagt Engels. Außerdem gehe es nicht darum, die Patienten vor dem Tablet zu „parken“. Das Tablet sei gedacht als Hilfsmittel für Betreuer und Angehörige, die dann gemeinsam mit den Demenzkranken Inhalte ansehen können, die Erinnerungen bei dem Patienten wecken. Bei seinem Großvater war es das Segeln, bei anderen könnten es Klavierstücke sein, andere bevorzugen ein Quiz zu schwäbischen Begriffen. „Es geht um die Freude am Moment“, sagt der 30-Jährige. Jeder Heimbewohner habe dabei sein eigenes Profil, in dem die Vorlieben abgespeichert sind.

Die Software kommt gut an

Im vergangenen Jahr wurde „Media Dementia“ in drei der Kleeblatt-Pflegeheime im Landkreis getestet, seit Anfang des Jahres kommen die Tablets in allen 27 Einrichtungen zum Einsatz. „Unsere Sozialdienste sind sehr glücklich mit dem Programm“, sagt Anne Litz, die Kleeblatt-Pressesprecherin. Es sei für die Betreuer nun viel einfacher, auch in Gruppen Anreize für Bewegung zu setzen, beispielsweise für Gymnastik oder Entspannungsübungen. Per Beamer können ganze Gruppen an dem Programm teilhaben.

Engels will sich nicht auf den Lorbeeren ausruhen. Das Produkt soll in Zusammenarbeit mit den Betreuern erweitert werden, es sollen auch fremdsprachliche Inhalte dazukommen – für ausländische Demenzkranke. Außerdem soll die Software internetfähig werden. Bisher war das nicht angedacht, da nur wenige Pflegeheime über Wlan verfügen. Engels stellt sich aber vor, dass mit dem Internetanschluss eine Art „Brückenschlag“ zwischen den Demenzpatienten und den Angehörigen möglich wird, wo Videobotschaften auf dem Profil gespeichert werden und dann vom Pfleger vorgespielt werden können – „wie eine Art WhatsApp für Angehörige“.