Anonyme Verfasser stellen mit einem Flugblatt einen mutmaßlichen Neonazi in seinem Heimatort bloß. Dieser wehrt sich mit einer Anzeige dagegen.

Frickenhausen - Michael P. (Name geändert) lebt in Frickenhausen (Kreis Esslingen), und er ist dort bekannt wie ein bunter Hund. Nahezu jeder in der 9000-Einwohner-Gemeinde weiß, wie Michael P. aussieht und wo er wohnt, kennt seine Handynummer und ist über seine Freizeitaktivitäten informiert. Das ist noch nicht lange so. Und es liegt auch nicht daran, dass Michael P. es darauf angelegt hätte - ganz im Gegenteil.

Die zweifelhafte Popularität im Flecken liegt in einem anonym verfassten Flugblatt, das ein Signet der sogenannten "Antifaschistischen Aktion" ziert, begründet. In dem Papier wird P. als "menschenverachtender Neonazi, Rassist und Antisemit" bezeichnet. Die Zettel wurden am 1. April in die Briefkästen der Frickenhausener gesteckt, weil man sie vor dem "Neonazi in Ihrer Nachbarschaft" warnen wolle, so die Verfasser. P. betreibe im Internet einen Versandhandel, der unter anderem die Musik einer rechtsextremen Band vertreibe. Er arbeite er eng mit einer Nazirockgruppe aus dem Stuttgarter Raum zusammen.

"14 Words"


Weiter ist auf dem Zettel ein Foto des kahl geschorenen jungen Mannes vor idyllischer Bergkulisse zu sehen. Die Adresse von Michael P. ist auf dem Flugblatt ebenso notiert wie seine Rufnummer, unter der er "bei Fragen zu seiner Nazieinstellung" zu erreichen sei. Das T-Shirt mit dem Aufdruck "14 Words", das Michael P. auf dem Foto trägt, soll ihn wohl ebenso als Neonazi entlarven. Es symbolisiert offenbar die 14 Wörter des Satzes "We must secure the existence of our people and a future for white children" (Wir müssen die Existenz unseres Volkes und eine Zukunft für weiße Kinder sichern), der ursprünglich von amerikanischen Rassisten verwendet wurde.

Der Frickenhausener Michael P. ist den Staatsschützern der Polizeidirektion Esslingen durchaus nicht fremd. Michael P. "ist einschlägig als rechtsorientierter Straftäter bekannt", sagt Fritz Mehl, der Sprecher der Behörde. Von 2004 bis 2008 seien im Raum Reutlingen neun Anzeigen wegen Körperverletzung aktenkundig geworden. Diese Verfahren seien aber nahezu alle eingestellt worden. Dass sich der Angeprangerte in der Skinheadszene bewege, sei den Staatsschützern ebenfalls nicht neu, sagt Mehl.

Beim Landeskriminalamt kein Unbekannter


Auch bei den Kollegen im Landeskriminalamt (LKA) ist Michael P. kein Unbekannter. "Er ist dem rechten Spektrum zuzuordnen", sagt der stellvertretende LKA-Sprecher Ulrich Heffner auf Anfrage. Zutreffend sei überdies, so der LKA-Sprecher weiter, dass Michael P. unter der auf dem Flugblatt angegebenen Internetadresse mit Accessoires der rechten Szene handelt und Tonträger einer rechtsextremen Band anbietet. Tatsächlich sind der Name, die Adresse und die Telefonnummer von Michael P. im Impressum der betreffenden Homepage zu finden.

Der Frickenhausener Bürgermeister Bernd Kuhn räumt ein, von dem Flugblatt gehört, es aber nicht gesehen zu haben. Dass ein mutmaßlicher Neonazi in seiner Gemeinde lebe, sei ihm ebenso unangenehm wie die Tatsache, dass ein Bürger der Kommune anonym diskreditiert werde.

Dagegen will auch Michael P. vorgehen. Laut Fritz Mehl hat er bereits Anzeige wegen der Flugblattaktion erstattet. Doch nach einer ersten Prüfung gebe es "keine Hinweise auf eine strafbare Handlung", sagt der Esslinger Polizeisprecher. Allerdings befasse sich auch die Staatsanwaltschaft mit dem Fall. Michael P. war am Dienstag trotz mehrfacher Versuche telefonisch nicht zu erreichen.