Christliches Leben im Stuttgarter Osten: Die koreanische Nambu-Gemeinde ist seit 2010 Teil der evangelischen Friedenskirche.

S-Ost -

 

Immer mehr Menschen in Deutschland drehen der Kirche den Rücken. Sowohl bei der evangelischen als auch katholischen Kirche sind seit Jahren rückläufige Zahlen zu sehen. Demzufolge bleiben sonntags auch die Kirchenbänke oftmals leer. Anders sieht das bei der koreanischen Nambu-Gemeinde in Stuttgart aus. Die christliche Gemeinde, die seit 2010 offiziell zur evangelischen Friedenskirchen-Gemeinde gehört, zeichnet sich durch ein lebendiges und aktives Glaubensbekenntnis aus. Während der deutsche Pfarrer an guten Sonntagen etwa hundert seiner 2000 Mitglieder zählenden Gemeinde in der Friedenskirche begrüßen kann, kommen fast zwei Drittel der koreanischen Gemeindemitglieder regelmäßig in den Gottesdienst. Die Nambu-Gemeinde in Stuttgart zählt rund 200 erwachsene Mitglieder und 50 Kinder und Jugendliche.

Gegründet wurde die Gemeinde von koreanischen Krankenschwestern, die in den 70er Jahren nach Deutschland gekommen waren. Diese Frauen bilden auch heute noch den Kern der Gemeinde, wie Pastor Taejoon Kim erklärt. Kim ist vor sechs Jahren aus dem südkoreanischen Seoul nach Stuttgart gekommen. „Als ich zum ersten Mal in der Friedenskirche stand, habe ich zu Gott gebetet, dass er diesen Raum mit Leben füllen soll“, erinnert sich der 47-Jährige an die Leere in der Kirche. Nur vereinzelt sehe er unter der Woche Gläubige, die still beten. In seiner Heimat in Südkorea sei das Verhältnis der Menschen zu Gott ein gänzlich anderes. „Der Glaube ist bei uns im Alltag fest verwurzelt und nimmt großen Teil im Leben der Menschen ein, ohne dabei als störend empfunden zu werden. Wer gläubig ist, geht auch in die Kirche“, sagt der koreanische Pfarrer.

Nach den Gottesdiensten gemeinsames Essen

Die Nambu-Gemeinde zeichnet sich durch eine hohe Frömmigkeit aus, die ihre Wurzeln in der Heimat hat. Für die Koreaner in Deutschland ist die Kirche nicht nur ein Ort der Religiosität, sondern dient den Menschen auch als Treffpunkt für den Meinungsaustausch und für das gemütliche Zusammensein. Nach den Gottesdiensten trifft man sich zum gemeinsamen Mittagessen oder Kaffee und Kuchen in den Gemeinderäumen. Für die Speisen sorgen die Mitglieder selbst. Sie treffen sich auch in regelmäßigen Bibelkreisen und diskutieren angeregt und offen über Passagen der Heiligen Schrift. „Viele Koreaner fühlen sich fremd in Deutschland; die Kirche ist für sie wie ein Heimathafen, den sie immer wieder gerne ansteuern“, erklärt Pastor Kim.

Der zweiten Generation, die in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, dient die Gemeinde zudem als Sprachschule. Während der deutsche Nachwuchs sich immer weniger mit der Kirche identifizieren kann, sind Babys, Kinder und Jugendliche fester Bestandteil des koreanischen Gemeindelebens. Einen großen Anteil in der Gemeinde stellen auch Studierende der Musikhochschule, die einen überregional bekannten Chor gegründet haben. Das stimmgewaltige Ensemble, das stets in schneeweißen Gewändern auftritt, überzeugt durch ein hochklassiges Niveau, das auch auf Opernbühnen bestehen könnte, und lockt zahlreiche, auch fremde Besucher in die Kirche. „Bei uns steht das Herz und das Gefühl an erster Stelle. Wenn wir Sorgen und Ängste haben, dann beten wir laut und intensiv“, so Kim. Bei den Deutschen stehe hingegen Kopf und Verstand im Vordergrund und blockiere so oftmals den Zugang zu Gott.

2020 muss der Pfarrer zurück nach Südkorea

Trotz der Unterschiede ist Kim dankbar und froh über die Eingemeindung in die Friedenskirche. „Das gibt uns langfristige Rechtssicherheit“, so der Theologe. Man wolle die Kooperationen unter einem Dach weiter ausbauen, um voneinander zu profitieren. Taejoon Kims Vertrag läuft 2020 aus. Dann muss der Pfarrer die Heimreise antreten. Seine beiden Söhne, 16 und zwölf Jahre alt, können sich vorstellen, in der Schwabenmetropole zu bleiben. „Das Schulsystem ist hier viel entspannter und lockerer als in Südkorea“, sagt Pfarrer Kim. „Von dieser Lässigkeit könnten sich die deutschen Kirchen doch was abschauen.“