Friedrich Dönhoff schreibt Krimis, die ohne exzessive Gewalt auskommen und dennoch spannend sind. Dass er der Großneffe einer berühmten Gräfin ist, interessiert seine Leser wenig. Die StZ-Autorin Annette Schwesig ist ihm begegnet.

Reise: Annette Schwesig (apf)

Stuttgart - Seine Kriminalromane kann man getrost zu Weihnachten verschenken. Sie sind, obwohl auch im Norden angesiedelt, eine schöne Alternative zu den bluttriefenden und gewalttätigen Krimis der zahllosen Autoren aus Schweden, Norwegen oder Finnland. Friedrich Dönhoff findet Gewalt unnötig. „Gewaltszenen in Büchern lenken oft nur davon ab, dass die Geschichte eigentlich nichts Besonderes zu bieten hat. Aber wo Menschen aufeinandertreffen, gibt es automatisch gute Geschichten zu entdecken, wenn man genau hinschaut“, sagt Dönhoff. „ Dann kann man einen spannenden Krimi entwickeln.“ Und der sympathische Schriftsteller hat einen Leserkreis, der beständig wächst.

 

Drei Krimis hat der 46-Jährige mittlerweile veröffentlicht. Der Untertitel lautet bei allen Büchern „Ein Fall für Sebastian Fink“. Das ist ein junger, moderner und glaubwürdiger Ermittler, der privat in einer ungewöhnlichen Konstellation lebt: in einer WG mit einer Bekannten und deren siebenjährigem Sohn. Man kann Dönhoffs Krimi auch ohne ausgeprägtes kriminalistisches Interesse einzig und allein wegen dieses Helden lesen. Man käme auch dann auf seine Kosten. Oder man kann sie lesen, weil man Interesse an zeitgeschichtlichen oder politischen Prozessen hat.

Das Gespräch über seine Tante Marion ist unvermeidlich

Die Motive von Dönhoffs Mörder sind nicht unbedingt im rein Privaten zu suchen: „Mich interessieren gesellschaftsrelevante Themen“, erklärt der Autor. Liebe, Hass, Eifersucht, klar, das kommt auch vor, diesen Gefühlen gilt aber nicht Dönhoffs Hauptaugenmerk. In seinem neuesten Krimi „Seeluft“ geht es um Umweltverschmutzung auf dem Meer, genauer: um Schiffsemissionen und ihre riesige Zerstörungskraft.

Auch wenn man es vermeiden will, Friedrich Dönhoff auf seine berühmte Großtante Marion Gräfin Dönhoff anzusprechen, spätestens, wenn das Gespräch bei den Themen Politik und Gesellschaft angekommen ist, kommt man nur schwer umhin, nach der Journalistin und langjährigen Herausgeberin der Wochenzeitung „Die Zeit“ zu fragen. Dönhoff erinnert sich lachend daran, wie er früher immer gedacht hatte, er müsse den politischen Teil der Zeitungen gut gelesen haben, bevor er der legendären Tante einen Besuch abstatte. „Sie wollte aber gar nicht immer nur über Politik reden“, erzählt er. „Marion konnte auch ganz locker sein, die Treffen bei ihr waren eher gemütlich und nett, wobei die aktuelle politische Lage schon auch thematisiert wurde.“

Das Biografische liegt ihm

Friedrich Dönhoff hat seine Großtante eigentlich erst in seinem frühen Erwachsenenalter richtig kennengelernt. Zwar in Hamburg geboren, ist er in Kenia aufgewachsen, weil sein Vater dort in der freien Entwicklungshilfe gearbeitet hat. Im Alter von drei bis elf Jahren hat der kleine Friedrich gemeinsam mit seinen beiden Geschwistern und den Eltern auf dem Land nahe Nairobi gelebt. „Als Kind fand ich die weite Savanne und ihre wilden Tiere genauso normal wie die Tatsache, dass die Menschen in der Regel dunkelhäutig sind und nicht weiß.“ Danach ist die Familie nach Bonn gezogen, da gab es „sporadische Kontakte“ zur Gräfin, die als politische Journalistin oft in der damaligen Hauptstadt zu tun hatte. „Sie war eine sympathische Verwandte, aber der Kontakt zur Großmutter mütterlicherseits war zu diesem Zeitpunkt enger“, erinnert sich Dönhoff. Erst als der junge Mann zum Zivildienst nach Hamburg ging und bei der Tante einzog, wurde die Beziehung eng und vertraut. „Ich wollte unbedingt nach Hamburg, wollte erwachsen werden, das Großstadtleben hat dazugehört. An die Tante konnte ich familiär andocken. Das war eine sehr angenehme Mischung.“

Mit dem eigenen, sehr strengen Vater kam Dönhoff nicht so gut zurecht, so bot sich Marion Dönhoff als Bezugsperson an. Vor allem auf dieser gemeinsam verbrachten Zeit in Hamburg in den achtziger Jahren gründet Friedrich Dönhoffs Buch „Die Welt ist so, wie man sie sieht – Erinnerungen an Marion Dönhoff“, das er kurz nach ihrem Tod verfasste. Zuvor hatte er bereits eine Biografie über einen Hafenarbeiter geschrieben. Das Biografische liegt ihm, das merkt man auch an der Ausgestaltung seiner Krimifiguren. Friedrich Dönhoff ist ein neugieriger Mensch, aber ohne jeden Anflug von Penetranz. Er ist ein angenehmer Gesprächspartner, der aufmerksam zuhört und schnell eine behagliche Atmosphäre herstellen kann. Dass Menschen ihm Vertrauen schenken und sich bereitwillig öffnen, das begreift man schnell. Er ist höflich und charmant, in seinen Ansichten allerdings alles andere als beliebig. Auch wenn er mit melodischer und leiser Stimme spricht: weich ist Friedrich Dönhoff nicht, da soll man sich mal nicht täuschen.

Seine jungen Leser kennen die „Zeit“-Herausgeberin nicht

Das wird dann deutlich, wenn er ins Reden über Politik gerät. Nicht, dass er da laut würde oder seinen Gesprächspartner unter den Tisch redete, nein, er befolgt auch hier alle Regeln der geordneten Konversation, in der Sache allerdings hat er seinen Standpunkt. Gleichzeitig verfügt er über die Gabe, dass man sich als Gegenüber nicht dumm fühlt, weil man bestimmte Dinge noch nicht richtig bedacht hat. Man kann aus einer Diskussion mit ihm schlauer herausgehen, als man hineingegangen ist und fühlt sich dennoch nicht als Verlierer. Ob das nun die Gene der Großtante sind, ob er das in den vielen Diskussionen mit ihr gelernt hat oder ob es gar nicht auf Marion Dönhoff zurückzuführen ist – es ist jedenfalls eine sehr angenehme Eigenschaft.

Dönhoff hat es früher nicht gestört, auf seine Tante angesprochen zu werden („Es gibt Schlimmeres“), und es stört ihn auch nicht, dass es heute kaum mehr passiert. „Die Welt der Krimileser ist eine andere. Und die jungen Leute, die kennen Marion nicht mehr. Auf Lesungen kommt es jetzt immer häufiger vor, dass ihr Name gar nicht fällt.“ Das sieht er gelassen, überhaupt scheint Dönhoff ein Beispiel dafür zu sein, dass man an berühmten Verwandten nicht zwangsläufig scheitern muss, auch wenn man etwas Ähnliches macht.