Er kämpfte für eine deutsche Republik und gegen die Sklaverei. Eine Erinnerung an den badischen Revolutionär anlässlich seines 200. Geburtstags.

Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)

Freiburg - Ob eine Revolution erfolgreich verläuft, hängt häufig von einem charismatischen Anführer ab. Mao Tse-tung, Ho Chi Minh oder Fidel Castro fingen klein an und stürzten mächtige Herrschaften, die sich fest im Sattel wähnten.

 

Der charismatische Anführer Friedrich Hecker - Markenzeichen: ein breitkrempiger Hut - hat im Frühjahr 1848 seinen revolutionären Kampf verloren. Zusammen mit seinem engsten Geistesverwandten Gustav Struve und 50 weiteren Umstürzlern hatte sich der wortgewaltige Abgeordnete des badischen Landtages am 13. April zu Fuß von Konstanz aus auf den Weg gemacht, um den badischen Großherzog in Karlsruhe vom Thron zu stürzen.

Der "Heckerzug" wurde nicht zum Triumphzug, dem sich Tausende hätten anschließen sollen. Er kam im Schnee, im Regen und in einem Sumpf ins Stocken, und schon am 20. April endete die Revolution bei Kandern im Kugelhagel einer Spezialeinheit des großherzoglichen Militärs, ergänzt durch hessisch-nassauische Soldaten. Deren Befehlshaber Friedrich von Gagern, ein Bruder des späteren Parlamentspräsidenten Heinrich von Gagern, fiel. Der Revolutionsführer Hecker floh in die Schweiz.

Freie Republik als Alternative zur Erbmonarchie

Friedrich Hecker, am 28.September 1811 in Eichtersheim im Kraichgau geboren, ist als Freiheitskämpfer gescheitert. Doch das konnte seinen Aufstieg zum historischen Helden nicht verhindern. Mancher Gesangverein huldigt ihm bis heute mit einem Volkslied: "Es klingt ein Name stolz und prächtig/im ganzen deutschen Vaterland/Jedes Herz erzittert mächtig/wenn dieser Name wird genannt/Ihr kennt ihn wohl, den edlen Mann/Es lebe Hecker! Stoßet an!"

Dabei gab es das einig deutsche Vaterland seinerzeit noch gar nicht, es war vielmehr eines der Ziele, die die bürgerliche Revolution erkämpfen wollte. Die freie Republik als Alternative zur Erbmonarchie! Im Rückblick beschrieb der badische Abgeordnete Friedrich Hecker seine Aufbruchsstimmung im Frühjahr 1948 folgendermaßen:

"Alles sagte dem Politiker, dass der rechte Moment gekommen sei und nicht vorübergelassen werden dürfe; und man war der festen Zuversicht, dass es keines Schwertstreiches und keines Schusses bedürfe, dass der Zug ein wahrer Festzug sein und ganz Deutschland dem Beispiele Badens, das immer vorangegangen, folgen würde. Jetzt war es an der Zeit, an die Stelle nutzloser Reden die That zu setzen." Eine grobe Fehleinschätzung - siehe oben.

Hecker wurde vom revolutionären Fieber ergriffen

Aber hinterher ist man bekanntlich immer schlauer, und Friedrich Hecker hätte ja auch recht behalten können. Denn die Fürstenherrlichkeit im zerstückelten Deutschland jener Zeit bröckelte und wankte wie das feudale System in ganz Europa. Immer heftiger schwappten die revolutionären Wellen aus Frankreich über die Grenzen. Nach dem Sturz des Königs Louis Philippe im Februar 1848 stand die Monarchie allerorten auf der Kippe.

Friedrich Hecker wurde vom revolutionären Fieber ergriffen. Der Rechtsanwalt und Sohn eines Amtsmanns war von den liberalen Politikern und Abgeordneten der zweiten Parlamentskammer in Karlsruhe, insbesondere von Adam von Itzstein, als Nachwuchshoffnung wohlwollend aufgebaut worden. Doch Hecker wurde radikaler, als es seinen Förderern lieb war.

Denn Teile des Großbürgertums wollten den schwächelnden Adel nicht stürzen, sondern sich mit ihm arrangieren. Eine durch Verfassung und Recht gezähmte Monarchie schien der Bourgeoisie ein geeigneter politischer Rahmen - Hauptsache, sie garantiere die Handels- und Gewerbefreiheit und schüfe einen gemeinsamen deutschen Binnenmarkt. Im Kleinbürgertum und dem bäuerlichen und handwerklich geprägten Volk grassierten hingegen Friedrich Heckers Ideen: Eine freie deutsche Republik war seine große Hoffnung, und das sozialistische Wetterleuchten schürte die Sehnsucht nach sozialer Gerechtigkeit. Hecker forderte "die Ausgleichung des Missverhältnisses zwischen Arbeit und Capital" - diese Worte wurden am 12.September1847 im Offenburger Gasthaus Salmen zum Programm erhoben.

"Meine Rechnung mit der alten Welt ist abgeschlossen"

Doch Resolutionen und Kundgebungen sind eine Sache, zur Waffe greifen und Haus und Hof verlassen eine andere. Die Massen folgten Hecker und Struve nicht in den Kampf. Auch der zweite Badische Aufstand ein Jahr später brachte nicht die Republik. Immerhin, der Großherzog floh für einige Wochen aus der Karlsruher Residenz, und eine provisorische Revolutionsregierung unter Lorenz Brentano griff zur Macht.

Die Invasion einer preußischen Übermacht zertrat auch diesen Aufstand. Friedrich Hecker hatte sich zu diesem Zeitpunkt bereits als Farmer in Illinois niedergelassen. Die badische Revolutionsregierung rief die Galionsfigur zu Hilfe, doch er kam, als die Revolutionsarmee bereits in heller Auflösung in die Schweiz floh. "Meine Rechnung mit der alten Welt ist abgeschlossen", schrieb Hecker daraufhin. "Keine Epoche der Weltgeschichte weist in einer so gewaltig bewegten Zeit einen so offenbaren Bankrott an Genies oder großen Charakteren auf als die jetzige."

Damit klingen die meisten Hecker-Biografien aus. Kurt Hochstuhl, der Leiter des Staatsarchivs in Freiburg, hat mit einem kleinen, aber wichtigen Büchlein nun dankenswerterweise detailliert beschrieben, wie sich der badische Revolutionär als Einwanderer in der Neuen Welt im besten Sinne als Homo politicus zu seinen Überzeugungen bekannte und bis zu seinem Lebensende unermüdlich für Demokratie und Freiheit kämpfte.

Für Bismarcks Politik hatte er rein gar nichts übrig

Doch nicht - wie man annehmen könnte - die demokratische, sondern die republikanische Partei wurde zur Heimat der massenhaft aus deutschen Obrigkeitsstaaten nach Amerika Ausgewanderten. Friedrich Hecker, das Idol der emigrierten 48er-Revolutionäre (der "Forty-Eighters"), trug dazu bei, dass die Republikaner zur Präsidentenpartei wurden: Er war als Wahlmann und Wahlkampfredner für Abraham Lincoln aktiv. Und er förderte den Aufstieg des berühmtesten deutschen Auswanderers: Carl Schurz, 1848 noch ein Student, brachte es zum Staatssekretär des Inneren, höher stieg kein deutscher Emigrant in Amerika.

Hecker ließ sich im Kampf gegen die Sklaverei 1861 sogar noch einmal militärisch in die Pflicht nehmen und wurde als Oberst in einem Gefecht verwundet. Aber ruhmreich endete auch diese Episode nicht, er hatte begrenzte militärische Kompetenzen und zerstritt sich mit Kommandeuren. Seinem Ansehen tat dies keinen Abbruch und auch nicht, dass er keine Frauen in der Politik sehen wollte. Seine Wahlkampfauftritte für die Republikaner waren von Tausenden Anhängern besucht, er konnte wie kaum ein anderer die Massen begeistern.

Ein einziges Mal kehrte Hecker noch nach Deutschland zurück, das durch Preußen nach dem "70er"-Krieg gegen Frankreich im Spiegelsaal von Versailles nach Fürstenart vereint worden war. 1873 besuchte Hecker in Freiburg seinen Bruder Karl und auch seinen Freund und Kampfgefährten Carl Mez, dem zugleich frommen und radikalen Textilfabrikanten und sozialen Wohltäter. "Es mag ein politischer Fortschritt sein, verglichen mit der düsteren Reaktion der 50er Jahre", räumte Hecker ein, aber für Bismarcks Politik hatte er rein gar nichts übrig.

Er hinterließ die "Amerikanerrebe"

Hecker hinterließ seiner Heimat etwas, das ihn überdauerte: Mit dem Begründer der badischen Weinkunde, dem Professor Adolph Blankenhorn aus Schliengen im Markgräflerland, korrespondierte Hecker nicht nur, er schickte ihm auch Traubenkerne zum Anbau. Die reblausresistente "Amerikanerrebe" hat bis heute überlebt, wenn auch nur in Nischen.

Hecker starb am 24. März 1881 im Alter von 77 Jahren in St. Louis/Missouri. In Sinsheim und in Radolfzell am Bodensee gibt es Schulen, in einigen Städten Straßen, die nach ihm benannt sind. Der SPD-Kreisverband Konstanz verleiht jährlich den Heckerhut, zuletzt an den Münchner Oberbürgermeister Christian Ude. In seiner badischen Heimat hat man den gescheiterten Revolutionär Hecker bis heute nicht vergessen.

Kurt Hochstuhl: Friedrich Hecker - Revolutionär und Demokrat. Verlag W. Kohlhammer Stuttgart. 124 Seiten, 18,90 Euro.