„Für eine Kulturstadt ist es wichtig, ein Varieté zu haben“, betonte Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn zur Eröffnung des Friedrichsbau Varietés am Pragsattel. Dennoch bleibt vieles vorerst gewöhnungsbedürftig, wie unsere Bilder zeigen.

Stuttgart - Nach einem Umzug ist das mit dem Eingewöhnen meist so eine Sache: Es dauert erfahrungsgemäß ein bisschen, bis man sich eingelebt hat. Das gab auch die Geschäftsführerin des Friedrichsbau Varietés, Gabriele Frenzel, bei der Premiere in der neuen Spielstätte am Pragsattel zu: „Die Dekoration und der Schmuck des Theaters kommen mit der Zeit.“ Eigentlich sollte zur Premiere am Donnerstag eine Leuchtschrift auf den neuen Bau aufgesetzt werden – dafür hat die Zeit aber nicht mehr gereicht.

 

Oberbürgermeister Fritz Kuhn zeigte sich dennoch beeindruckt: „Sie haben eine ungeheure Leistung mit viel Engagement erbracht und den Gemeinderat überzeugt“, sagte er zu den Geschäftsführern Gabriele Frenzel und Timo Steinhauer. Schließlich habe die Stadt auch einen großen Teil der Finanzierung getragen. „Für eine Kulturstadt ist es wichtig, ein Varieté zu haben“, betonte Kuhn.

Der Hintergrund

Seit 1994 war das Stuttgarter Varieté in der Rotunde im Friedrichsbau untergebracht, der Eigentümer dieses Gebäudes ist die L-Bank. Vor zwei Jahren kündigte die L-Bank zunächst das Sponsoring, wenige Monate später auch die Miet- und Pachtverträge mit dem Varieté. Für das traditionsreiche Theater – die Gründung des Friedrichbau-Theaters geht auf das Jahr 1900 zurück – beginnt mit der Suche nach neuen Gesellschaftern und einer neuen Bleibe auch der Kampf ums Überleben. Gemeinsam mit der Stadt sucht man nach alternativen Spielorten, der Pragsattel stellt sich schnell als geeignetes Grundstück heraus. Zunächst ist ein Theaterzelt im Gespräch. Wegen der Nähe zu einem Seniorendomizil und Wohnhäusern wird diese Idee jedoch verworfen. Im August beginnen dann die Bauarbeiten am neuen Haus fürs Varieté: eine Fertighalle aus Holz und Beton.

Die Kosten

Eigentlich sollte in der neuen Spielstätte auf dem Pragsattel bereits am 7. November Premiere sein. Durch Versäumnisse im Liegenschaftsamt bei der Freimachung des Bauplatzes jedoch zeichnete sich im Oktober ab, dass dieser Termin nicht eingehalten werden konnte. Die Stadt gewährte dem Varieté einen weiteren Zuschuss von 145 000 Euro als Ausgleich für Einnahmeausfälle. Bereits im Vorfeld hatte die Stadt dem Varieté eine Ausfallbürgschaft in Höhe von einer Million Euro sowie einen Baukostenzuschuss von 450 000 Euro zugesagt, außerdem überlässt die Stadt das Grundstück auf dem Pragsattel dem Varieté für fünf Jahre pachtfrei. Insgesamt betragen die Baukosten 1,9 Millionen Euro.

Der Neubau

Viel Charme versprüht das neue Gebäude nicht. Äußerlich ist es eher ein schwarzer Kasten vor den Toren der Stadt als eine individuelle Spielstätte mitten in der City. Im Inneren fehlt dem Theatersaal (noch) der richtige Schliff, um sich als Besucher wohlzufühlen. Vor einem Jahr hatten sich Bauherr und Planer für das Fertighallensystem aus Holz entschieden. „Ich finde es großartig, ich bin total glücklich und sowieso ist dieses Theater für uns besser zu bespielen als die Rotunde“, sagt Frenzel. Denn man habe im neuen Haus alles den Bedürfnissen des Varietés anpassen können – in der Rotunde der L-Bank musste man sich dem Gebäude anpassen. Neu ist etwa die Anordnung der Sitzplätze: Das Publikum sitzt an langen Tafeln mit Platz für bis zu zehn Personen im 90-Grad-Winkel zur Bühne. Wer dem Geschehen dort folgen möchte, muss also entweder seinen Kopf oder gleich seinen ganzen Stuhl (die alte Bestuhlung aus der früheren Spielstätte) drehen. Das ist weder besonders bequem noch effektiv. „In anderen Varietés ist das schon längst üblich“, sagt allerdings Frenzel.

Die Reaktionen

Für Stadträtin Rose von Stein von den Freien Wählern ist es am wichtigsten, dass das Varieté „es tut“. Nun müsse auch das Publikum die neue Spielstätte mit Leben füllen. Auch Eric Gauthier, der mit seiner Dance Company häufig im benachbarten Theaterhaus auftritt, freut sich auf die neuen Nachbarn. „Das Varieté ist zwar noch nicht so kuschelig wie in der Rotunde, aber das kommt bestimmt noch.“