Herr Turner, wie beurteilen Sie den Gehalt des Satzes „mit grünen Ideen schwarze Zahlen schreiben“?
Turner Das, was grüne Wirtschaftspolitiker im Bereich Industrie bisher auf die Beine gestellt haben, ist das größte Desaster der deutschen Industriegeschichte, nämlich die Solarwirtschaft: Wir zahlen hier hohe Strompreise, die gesamte Produktion kommt aus China, und die hochsubventionierten Fabriken stehen leer – da schafft keiner. Wenn das die Perspektive von Ihren Theorien ist, Herr Kuhn, dann kann ich nur sagen: Für einen Industriearbeiter in Stuttgart ist das, was Sie an Praxis mitbringen, eine so große Katastrophe, dass uns das erspart bleiben möge!
Kuhn Ihnen ist offensichtlich entgangen, dass seit 2005 in Berlin Frau Merkel regiert. Die hätte ja in der Wirtschaftspolitik einiges ändern können. Und zweitens: die Forschung und Entwicklung erneuerbarer Energie halte ich für eine Erfolgsgeschichte. Wenn in China heute Fotovoltaik produziert wird, dann stammen die Produktionsanlagen und die Reinsträume, die man dafür braucht, aus dem baden-württembergischen Maschinenbau. Daher haben wir auch in China einen hohen Anteil an der Wertschöpfung.
Turner Ich sehe bei Ihren wirtschaftspolitischen Ansätzen keinen, von dem sich Stuttgart eine positive Entwicklung erhoffen dürfte. Mit Ihren Ideen bewegen Sie sich doch in Wolkenkuckucksheim! Außerdem würde ich noch einmal gerne auf die vorige Behauptung von Herrn Kuhn zurückkommen, ich hätte gesagt, alle Politiker seien blind. Das habe ich nie gesagt, und das entspricht auch nicht meiner Auffassung. Ich finde es nur absolut unmöglich, wenn ein grüner Politiker wie Fritz Kuhn einem Unternehmer wie mir, der nicht von der Politik lebt, dies zum Vorwurf macht.
Kuhn Ich habe Ihnen doch gar nicht zum Vorwurf gemacht, dass Sie nicht von der Politik leben.
Turner Dass ein Grüner wie Sie, der in die Politik gegangen ist, um Verkrustungen aufzubrechen, nun sagt: Ich möchte meine eigene Verkrustung behalten, und einer von außen ist der Falsche – das ist doch ein Verrat an Ihren eigenen Idealen! Genau wie Ihr Tanz um die eigene Achse bei der Citymaut. Das ist für mich absolut unverständlich und unglaubwürdig.
Kuhn Wir haben über Ihre Citymaut-Unterstellungen nun vorher schon lange genug gesprochen. Mich langweilen Ihre Diffamierungen allmählich.

Nach dem ersten Wahlgang trennen Sie beide zwei Prozentpunkte. Am Sonntag wird sich nun entscheiden, wen die Wähler auf dem Chefsessel im Stuttgarter Rathaus wollen. Dabei geht es auch um die bisherigen Stimmenanteile von Bettina Wilhelm und Hannes Rockenbauch. Herr Kuhn, wie wollen Sie diese Stimmen gewinnen?
Kuhn Der erste Wahlgang ist nur ein Zwischenergebnis. Ich will noch Leute dazugewinnen, auch von den bisherigen Nichtwählern. Dafür werde ich bis zum Sonntag noch auf vielen Marktplätzen und bei abendlichen Diskussionsveranstaltungen kämpfen. Das ist nun meine Aufgabe, und ich habe den Eindruck, dass die Leute gut auf mich reagieren. Dennoch: ein gemähtes Wiesle ist das für mich noch nicht.

Herr Turner, auch Sie versprechen sich noch Zugewinne bei den Nichtwählern und bei den bisherigen Wählern von Frau Wilhelm. Warum sollen die Leute Sie wählen?
Turner Viele Leute, die im ersten Wahlgang nicht dabei waren, sagen: Warum soll ich im Halbfinale dabei sein, wenn ich zum Endspiel gehen kann? Viele der Wähler von Frau Wilhelm stammen aus dem bürgerlichen Lager. In den letzten Tagen des Wahlkampfs werden die inhaltlichen Unterschiede zwischen Herrn Kuhn und mir noch einmal deutlich. Bisher ist es Kopf an Kopf, jetzt kommt Klarheit in die Positionen. Die Stuttgarter können sich jetzt entscheiden: Wollen sie einen Berufspolitiker, oder wollen sie einen Bürger?

 

Den ersten Teil des Streitgesprächs zu den Themen Stuttgart 21 und Rosensteintunnel lesen Sie hier.