Für eine zünftige Fronleichnamsprozession alpenländischer Art macht sich sogar der sonst so formelle und eher zurückhaltende Vatikan locker.

Rom - Sogar der Schweizergardist ist an diesem Nachmittag lockerer als sonst. „Ach, stellen Sie sich doch einfach in der Schlange der Deutschen an!“ Okay. Eine kurze Sicherheitskontrolle, und schon ist man drin in der anderen Welt. In der anderen Welt des Vatikans auch. In einer Welt der Dirndl und der Haferlschuhe, der Gamsbärte und der Federbuschen an den spitzen Filzhüten, wo man bayerisch spricht und österreichisch und badisch und pfälzisch. In der Sonne blitzen die Trompeten und die Hörner, die Querflöten, die Saxophone, die dicken Tuben. „Aaaach-tung!“ schreit der Kapellenmeister aus Osttirol und reckt seinen Stab kerzengerade in die Luft. Dann setzen sie ihre Instrumente an und los geht’s, im Gleichschritt, mit fröhlicher Marschmusik.

 

Fronleichnam ist. Am Wochenende feiern sie das Fest auch im Vatikan nach. Mit einer Prozession. Aber was für einer! Georg Gänswein hatte sie für seinen Chef ausgedacht. Etwas richtig schön Bayerisches, Volkstümliches, Herzerwärmendes sollte Benedikt XVI. da jedes Jahr geschenkt bekommen, aber als diese Fronleichnamsprozession 2013 zum ersten Mal stattfand, da war Benedikt schon Ruheständler. Gleichwohl, seit damals ist das heilige Humtata Tradition, und solche Menschenmassen wie dieses Jahr haben auch noch nie teilgenommen. Mundpropaganda.

Ein zünftiger Zug durch die Vatikanischen Gärten

Zwei Blaskapellen vorne, zwei hinten, so zieht der zünftige Zug durch die Vatikanischen Gärten, die so saftig grün sind wie eine alpenländische Wiese, nur dass im Hintergrund kein barockes Zwiebeltürmchen aus den Hügeln lugt, sondern die mächtige, eher strenge Kuppel des Petersdoms. Auf halber Höhe verstummt der fröhliche Wandermarsch. Die Leute flüstern nur mehr, es folgt ein Marienlied – exakt vor dem Austragskloster, in dem Benedikt seinen Lebensabend zubringt. Einen Blumenteppich zu seinen Ehren haben sie da hingebreitet, wie man es in Bayern vor den Altären der Fronleichnamsprozession macht, einige winken hinauf. Aber an den Fenstern zeigt sich keinerlei weiße Gestalt.

Weil die Prozession formell vom Campo Santo Teutonico veranstaltet wird, jenem deutschen Priesterkolleg und Friedhof innerhalb der Vatikanmauern, gehen der Prozession – mit ihren schwarzen Kutten angetan – auch die Mitglieder der dazugehörigen „Erzbruderschaft zur Schmerzhaften Muttergottes“ voraus. Diese Deutschen, Österreicher, Schweizer, Flamen sind die einzigen in der Prozession, die wissen, wo sie enden – nicht nach der geistlichen Handlung heute, sondern nach all des Lebens Müh und Plag: Als Mitglieder der Bruder- (und Schwestern-)schaft erwerben sie mit ihren frommen Übungen das Recht, auf dem Campo Santo beerdigt zu werden.

Zwei Stunden regloses Rösten in römischer Sonne

Vor der Marien-Grotte auf höchster Hügelhöhe stoppt die Prozession. Die Blaskapellen nehmen Aufstellung zur Messe. Zwei Stunden müssen sie da, regungslos, in der römischen Sonne rösten und spielen. Es predigt der Freiburger Erzbischof Stephan Burger, der den unbeschwerten Vatikan dem Leipziger Katholikentag vorgezogen hat. Und danach geht’s den Prozessionsweg wieder runter. Vier Schweizergardisten tragen den „Himmel“, unter ihm Erzbischof Burger die Monstranz mit der geweihten Hostie. Neben dem Altar fürs feierliche Abschlussgebet stehen sogar richtig bayerische „Prangerstauden“: junge Birken, eigens importiert von nördlich der Alpen, sowas wächst in Rom nicht.

Der Fronleichnam klingt mit gleich sechs Nationalhymnen aus; der ganze irgendwie deutschsprachige Alpenraum will sich da zu Wort melden. Dann legen die Blaskapellen, alle miteinander, ein Platzkonzert hin. Und noch lange nach dem Hinausgehen hört man’s weit über den Petersplatz schallen: „Ein Prosit, ein Pro-hosit der Gemütlichkeit!“