Die Vorgeschichte des heutigen Lidl-Markts in Gaisburg kennen nur noch wenige Alteingesessene. 1929 wurde dort das Café Schaber gegründet. Es war ein oft und gerne besuchter Treffpunkt bis 1966.

S-Ost - Über den Lidl-Markt an der Landhausstraße in Gaisburg wird zurzeit viel gesprochen. Ende des Jahres läuft der Pachtvertrag aus, spätestens Ende November wird der Markt geschlossen. Die guten Umsätze spielen dabei keine Rolle, die Konzernleitung hat beschlossen, dass die Fläche zu klein ist. Schluss. Aus. Ob ein anderer Lebensmittelmarkt als Nachfolger gefunden werden kann, ist noch offen. Die Wirtschaftsförderung der Stadt bemüht sich darum, der Eigentümer des Gebäudes, Günter Gamerdinger, wartet darauf, dass sich einer der Interessenten – im Gespräch sind offenbar Rewe und tegut – bei ihm melden.

 

Gedanken über die Zukunft bringen auch alte Erinnerungen

Viele machen sich also Gedanken darüber, was künftig in den heutigen Supermarkträumen passieren wird – und einige wenige erinnern sich bei der Gelegenheit auch daran, was früher, vor fast 50 Jahren, dort war: das in Gaisburg und Umgebung bekannte Café Schaber, das fester Bestandteil der Gaisburger Stadtteilgeschichte ist.

Das erste Café Schaber wurde im Jahr 1929 von Ernst Schaber gegründet. Es war in dem Gebäude an der Ecke Hagberg- und Landhausstraße, in dem heute das Kunsthaus Stuttgart seinen Sitz hat. Der Bäckermeister, gebürtig aus Ehningen, schaffte es zusammen mit seiner Frau, das Café zu einem beliebten Treffpunkt in dem Stadtteil zu machen. Das ist insofern bemerkenswert, als es damals in Gaisburg viele Gaststätten und Wirtschaften gab. An manchen Fassaden sind heute noch die Namen zu lesen.

Schaber war ein gern und oft besuchter Treffpunkt

Das Schaber war eine der ersten Adressen im Umkreis, wenn es um Geburtstage, Familienfeiern, Firmenveranstaltungen oder auch Stammtische ging. Die damaligen Gaisburger Unternehmer, die meist kleinere Handwerksbetriebe hatten, trafen sich regelmäßig dort. Außerdem war das Schaber sozusagen die Faschingshochburg im Osten. Ernst Schaber war Mitglied in der 1922 gegründeten Karnevalsgesellschaft Rosenmontag, entsprechend groß wurde Fasching im Schaber gefeiert, jeden Sonntag war Kappenabend.

Ernst Schaber hatte einen Gehilfen in der Backstube, der hieß Günter Gamerdinger. Gamerdinger machte ebenfalls seinen Meister im Bäckerhandwerk – und verguckte sich in die Tochter seines Chefs, in die Lilly. Die beiden heirateten und übernahmen später das Café und die Bäckerei.

Trotz der verheerenden Zerstörungen auch in Gaisburg im Zweiten Weltkrieg überlebte das Café, die Familie betrieb es im wiederaufgebauten Haus am alten Standort noch bis 1954 weiter. Dann gab es aber Unstimmigkeiten mit dem Vermieter. Ernst Schaber wollte das Haus, in das er viel investiert hatte, kaufen, der Eigentümer wollte es aber nicht hergeben. Also schaute Schaber sich um und kaufte sieben zusammenhängende kleine Bauplätze weiter oben in der Landhausstraße, an der Ecke Hornbergstraße, und baute das Gebäude für das neue Café Schaber.

Mitte der 60er kam dann der erste Lebensmittelmarkt

Bis 1966 gab es das Schaber dort, dann wurde Günter und Lilly Gamerdinger das Gastronomie-Geschäft zuviel. Sie hatten inzwischen mehrere Bäckereifilialen in Gaisburg und in der Stadt, ein Verkaufswagen versorgte unter anderem das Wohngebiet Plettenberg, die Bäckerei allein beschäftigte mehr als 30 Mitarbeiter. 1966 war dann Schluss mit dem Café. Damals zog der erste Lebensmittelmarkt in die Räume an der Landhausstraße ein, später folgte ein Nanz-Markt, seit etwa 1990 gibt es den Lidl-Markt dort.

Lilly und Günter Gamerdinger wechselten vom Bäckerei- ins Hotelfach und übernahmen das einstige Hotel Fischer am Kernerplatz, benannten es in Hotel Central um und beherbergten viele Jahre lang Prominente aus der ganzen Welt, wenn die zu Veranstaltungen nach Stuttgart kamen. Heute lebt das Ehepaar in Heumaden – und ist selbst gespannt, wer ihr nächster Mieter im einstigen Café Schaber sein wird.