Es sieht alles so einfach aus. Aber wie viel Arbeit wirklich in einer Ballettaufführung steckt, haben Kinder am Wochenende im Opernhaus erfahren. Weitere sieben Kinderführungen sind für das Wochenende, 3. und 4. Mai, geplant.

S-Mitte - Da muss man schwindelfrei sein, denn es geht 25 Meter hoch.“ Marieke Lieber zeigt in den Raum über der Bühne. 13 Hälse recken sich, 26 Augen folgen dem Finger der ehemaligen Balletttänzerin. 25 Meter – das übersteigt die Vorstellungskraft der sieben- bis zehnjährigen Mädels deutlich, wie ihr fragender Blick zeigt. Die Welt hinter den Kulissen des Balletts im mehr als 100 Jahre alten Stuttgarter Opernhaus ist spannend. An diesem Samstag gehört sie ganz ihnen, für anderthalb Stunden.

 

Die Mädels sind hin und weg

Vorsichtig und aufmerksam bewegt sich die Mädchenschar durch die Kulissen von Peter Pan. Die Betten, durch die Wendy und ihre Geschwister bei den Aufführungen toben, stehen jetzt verlassen herum. „Warum ist denn da ein Netz?“, möchte eines der Mädchen wissen. Das Netz überspannt den Orchestergraben. „Bei Peter Pan rollen große Kugeln herum. Es ist da, damit sie nicht auf die Musiker fallen, die da unten spielen“, erklärt die Frau vom Fach.

Nach einer Visite in der Königsloge geht es in die Kostümwerkstatt. Marieke Lieber holt einen echten Mädchentraum von der Stange: Das Hochzeitskleid der Aurora aus Dornröschen. Es ist übersät mit Rosen und Pailletten. Rund 80 Stunden brauchen die Näherinnen für ein solches Kostüm, sagt Lieber. 20 Menschen arbeiten in der Kostümwerkstatt an passenden Outfits zu den Aufführungen. Die Kostüme sind maßgeschneidert. Die Mädels sind hin und weg. „Dürfen wir auch so ein Kleid machen?“, fragt eine der jungen Besucherinnen. „Oder kriegen wir eins geschenkt?“, fasst eine andere nach.

Stippvisite im Kunstgewerbe

Dass die Näherei aber nur für die halbe Pracht verantwortlich ist, erfahren sie kurz danach bei ihrer Stippvisite im Kunstgewerbe. Dort werden Verzierungen und Perlen auf die Kleider genäht – alles in Handarbeit. Ein besonders schwieriger Auftrag sei die Ausstattung der Raben in „Krabat“ gewesen, berichtet die Expertin. „Da haben sie ganz lange probiert, bis sie die perfekten Flügel hinbekommen haben.“ Denn sie mussten nicht nur gut aussehen, sie durften auch nicht zu schwer sein.

Weiter geht’s. Durch die Perücken-Werkstatt und die Rüstmeisterei für Metallarbeiten führt der Weg in den „europaweit größten Malsaal innerhalb eines Theaters“. 55 Mal 30 Meter misst die Halle, in der die Bühnenbilder entstehen. „Die Theatermaler gehen mit Strümpfen auf die Bilder und malen mit langen Stäben, damit sie sich nicht bücken müssen“, erklärt Lieber den Mädchen, bevor sie ihnen im Spiegelsaal noch den Tarantella-Tanz aus „Romeo und Julia“ beibringt.

„Die Kinder werden von diesem Erlebnis zehren“

Zehn Jahre lang war die 39-Jährige selbst Tänzerin am Stuttgarter Ballett, erzählt sie. Sie habe unter anderem Rollen in „Don Quijote“ und „Die Kameliendame“ übernommen. Doch: „Mit 30 Jahren fängt es schon an, dass es schwierig wird mit der Karriere.“ Heute macht sie Führungen, vor allem für Kinder, und besucht auch Schulklassen.

Am Wochenende stehen gleich sieben Kinderführungen im Ballett auf dem Plan. Die Besucher sind angetan. „Wir finden es toll, dass so etwas angeboten wird“, sagt Birgit Kaiser-Mager. Die Ballettlehrerin aus Neuhausen auf den Fildern ist gleich mit neun ihrer zehn Schützlinge ins Opernhaus gekommen. Für die Kinder sei es toll zu sehen, wie viel Arbeit hinter einer großen Aufführung steckt, sagt sie. „Die Kinder werden von diesem Erlebnis zehren.“

Die zehnjährige Cora, die mit ihrer Mutter gekommen ist, bedankt sich zum Abschied höflich. Sie nimmt an diesem Tag ein ganz besonderes Andenken mit nach Hause: ein Autogramm von Marieke Lieber, der Freundin ihres großen Tänzerinnen-Vorbilds Katja Wünsche.