Seit Jahren gibt es schwere Querelen an einem Stuttgarter Lehrerseminar. Hauptgrund: die Chefin. Nun hat sich Kultusministerin Eisenmann persönlich eingeschaltet – und einen personellen Neuanfang erreicht.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Nach jahrelangen Querelen soll es am Stuttgarter Seminar für Lehrer an beruflichen Schulen einen Chefwechsel geben. Dies ist das Ergebnis von Gesprächen, die die baden-württembergische Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) in den vergangenen Wochen geführt hat. Entsprechende Informationen unserer Zeitung bestätigte ein Sprecher des Ministeriums. Die umstrittene bisherige Leiterin Veronika Gulde wird im August die Leitung des Lehrerseminars in Weingarten (Kreis Ravensburg) übernehmen; offiziell werden dafür „familiäre Gründe“ genannt. Gleichzeitig wechselt der bisherige Chef von Weingarten, Harald Görlich, an die Spitze des Stuttgarter Seminars fürs Didaktik und Lehrerbildung. Damit könnten beide Bildungseinrichtungen „unter gedeihlichen Rahmenbedingungen ihre erfolgreiche Arbeit fortsetzen“, teilte das Ministerium mit.

 

Über den Ämtertausch wurden die Stuttgarter Mitarbeiter in einer kurzfristig einberufenen Besprechung informiert. Dabei sagte Gulde (Jahrgang 1957) nach StZ-Informationen, dass sie auf eigenen Wunsch nach Weingarten gehe. Der Grund: Sie sei dort näher am Wohnort ihrer betagten Eltern. Insider gehen davon aus, dass Gulde der Wechsel auch nahegelegt worden ist. Ihr Führungsstil galt seit Jahren als Hauptursache der anhaltenden Turbulenzen. Nachdem die Klagen in den zurückliegenden Monaten massiv zugenommen hatten, hatte sich Eisenmann persönlich in die Krise eingeschaltet und sich – so das Ministerium – „intensiv um das berufliche Seminar gekümmert und Gespräche geführt“. In der Stuttgarter Belegschaft sorgte die Entscheidung nach StZ-Informationen für Erleichterung, über Reaktionen aus Weingarten ist noch nichts bekannt.

Hilferufe von Mitarbeitern an die Ministerin

Nach Berichten der Stuttgarter Zeitung über die aktuellen Probleme hatten sich in den letzten Wochen wiederholt Mitarbeitergruppen direkt an Eisenmann gewandt. In den meist anonymen Schreiben wurde sie teilweise flehentlich darum gebeten, einzugreifen und die „Führungsmisere“ zu beenden. „Der Fisch stinkt vom Kopf her“, hieß es mit Blick auf Gulde und ihren Stellvertreter. Kritik sei nicht erwünscht, darauf werde mit Einschüchterung oder sogar disziplinarisch reagiert. Viele Mitarbeiter gingen in die innere Emigration, würden längerfristig krank oder suchten neue Jobs. Alle bisherigen Lösungsversuche des Kultusressorts und des Stuttgarter Regierungspräsidiums hätten nichts gebracht.

Bei externen Untersuchungen waren die Probleme an dem Seminar wiederholt bestätigt worden. Die Führungsqualität werde dort „deutlich geringer bewertet“ als an vergleichbaren Dienststellen, der Mobbingindikator sei hingegen „sichtlich stärker ausgeprägt“, heißt es in den Berichten. „Vertrauen und Gerechtigkeit“ würden zudem „merklich schlechter empfunden“. Es fehle an Verfahren zum Umgang mit Konflikten, „inidivuelle Positionen“ würden von der Seminarleitung nicht akzeptiert oder „mit Sanktionen belegt“. Es gebe aber auch Lehrkräfte, die mit der Seminarleitung sehr zufrieden seien.

Ohrfeige vom Gericht für Stellenvergabe

Zugespitzt hatte sich die Lage nach einem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH). Dieser hatte das Vorgehen bei der Besetzung einer Bereichsleiterstelle gerügt: Bei den Arbeitsproben sei einer der Bewerber – der Favorit der Seminarleitung – womöglich „unzulässig bevorzugt“ worden. Er durfte über ein Thema referieren, mit dem er sich seit Langem beschäftigt hatte. Die Folge: Für eine Präsentation beschrieb er in kurzer Zeit fast 100 Zettel. Die schon einmal an Formfehlern gescheiterte Stellenvergabe wird derzeit neu aufgerollt. Man sei „an einer zügigen Lösung interessiert“, sagte der Sprecher des Kultusministeriums.

Das als Ohrfeige empfundene VGH-Urteil wird für die Verantwortlichen keine rechtlichen Folgen haben. Ein Disziplinarverfahren komme nur in Betracht, „wenn ein Beamter schuldhaft eine Dienstpflicht verletzt“, erläuterte der Sprecher; es liege jedoch kein persönliches Fehlverhalten vor. Der favorisierte Bewerber besetzt die Stelle derzeit kommissarisch; im Seminar wird erwartet, dass der neue Leiter bei der Personalie eingebunden wird.

Nach einem Umzug des Seminars Ende 2016 sollten unlängst eigentlich die neuen Räume feierlich eingeweiht werden. Doch der Termin wurde kurzfristig abgesagt, ohne Angabe von Gründen. Eine neue Einladung folge, schrieb Veronika Gulde – dann wohl von ihrem Nachfolger.