Fünf Jahre ist Eric Gauthier’s Compagnie im Theaterhaus Stuttgart jung. In diesen jungen Jahren darf die Truppe schon auf zwei renommierte Preise schauen: „Der Faust“ und der Deutsche Tanzpreis. Ein Film hat die erfolgreichen Jahre dokumentiert.

Stuttgart - Kein Kino ohne Popcorn. Und so bekommen die Zuschauer, die in den Saal T1 des Theaterhauses strömen, zunächst eine große Tüte voll des geplatzten Maises in die Hand gedrückt. Als stilechte Einstimmung, denn „Celebration“, der Tanzabend zum fünften Geburtstag der Theaterhauskompanie Gauthier Dance, startet cineastisch: Kaum ist das Licht aus, erklingt bombastisch das musikalische Thema des Films „Star Wars“ und die Stimme des Kompaniechefs Eric Gauthier wünscht sich aus dem Off einen roten Teppich. Stante pede rauscht auf der Leinwand eine Limousine an, hält am roten Teppich vor dem Theaterhaus, der von einer jubelnden Menschenmenge gesäumt ist. Heraus rekeln sich zwei schön geformte Beine in Spitzenschuhen: Kompaniemitglied Marianne Illig schwebt heran, gefolgt von ihren Kollegen Maria Prat Balasch, Armando Braswell, Maria Deller-Takemura, Anneleen Drog, Anna Süheyla Harms, Garazi Perez Oloriz, Rosario Guerra, Florian Lochner, William Moragas, Tars Vendebeek, Leandër Veizi und freilich Eric Gauthier. Sie stecken in Kostümen aus dem Repertoire. So kommt Oloriz als Poppea, während Moragas – – dem Chauffeur sexy Blicke zuwerfend – einen Glamourszene im schwarzen Corsagenhemd von „The Sofa“ hat.

 

Dann wird aus der Virtualität freilich Realität. Der Film stoppt, die Truppe läuft in diesen Outfits in den Saal ein, um auf der Bühne auf Oloriz’ behelmten Kopf eine Art Riesenwunderkerze anzuzünden. Die Zeichen stehen auf Feiern – und einem Rückblick auf die vergangenen fünf Jahre.

Das allererste Programm: „Six Pack“

Der erste Teil eines Dokumentarfilms läuft an: Die Stuttgarter Filmemacher von teamWork begleiteten die Kompanie die ersten drei Jahre über vor und vor allem hinter den Kulissen. Eric Gauthier, der hier sein Debüt als Regisseur abliefert, ist zu sehen beim ersten Vortanzen für seine Truppe, zu dem „dreihundert junge Tänzer aus ganz Europa“ gekommen seien. Sechs davon bildeten denn auch den ersten Nukleus von Gauthier Dance. Nach dem filmischen Umzug in den neuen Proberaum auf dem Wizemann-Areal, geht es auf der realen Bühne mit einem Ausschnitt aus dem allerersten Programm „Six Pack“ weiter: Es ist immer noch erfrischend, wie in Charles Moultons „Ball Passing“ zu Kommandos sechs Tänzer in rasantem Tempo bunte Bälle austauschen. Eine sichere Bank ist freilich auch das folgende „The Sofa“. Mauro Bigonzettis Choreografie, in dem auf einem monumentalen gelben Sofa akrobatisch und humorvoll Paarverwicklungen ausgetragen werden, kann längst als eines der Ikonen von Gauthier Dance bezeichnet werden.

Mit „Taiko“ kreierte der Kompaniechef Gauthier ein energiegeladenes Stück, in dem drei Tänzer den Rhythmus und die Kraft der japanischen Taiko-Trommler in stilisierten Sprüngen und Gesten nachempfinden. Eine humorvolle Vedute des Moments, bevor der Ball im Netz der Netze zappelt, steuert wiederum der Roberto Scafati, Chef des Ulmer Balletts, bei: Köstlich, wie Gauthier in „Freistoß“ als gestrenger Schiedsrichter seine fünf Mannen in Dortmund- und VfB-Trikots zur Raison ruft, während die in Zeitlupe heimliche Fouls verteilen und ihre Mienen verziehen, als koste es ihr Leben, während Charles Aznavour „Sur ma vie“ intoniert. Immer gerne sieht man einen Ausschnitt aus „Poppea//Poppea“, jener Kreation, die der Choreograf Christian Spuck für Gauthier Dance schuf und die ihm den Tanzpreis Faust einbrachte.

Auch Bigonzettis „Cantata“ ist zu sehen

Nach weiteren Filmausschnitten aus dem Werdegang der Kompanie folgt im zweiten Teil des Abends eine Überraschung, weil es die auf Feiern angelegte Programmatik des Abends durchbricht. Zum Jubiläum ist Mauro Bigonzettis Paradechoreografie „Cantata“ zu sehen, eine Hommage an archaische Volkslieder und der süditalienischen Tradition des gemeinsamen Tanzen und Singens. Wie hier die gesamte Kompanie samt Egon Madsen und Bigonzettis Assistentin Macha Daudel, die das Stück einstudierte, mit den vier Musikerinnen des Uraufführungs-Ensembles Assurd alte italienische Volkslieder singt, sich streitet, in Paaren oder solo dreht, schüttelt und springt, ist mitreißend und lustvoll. Es ist gleichwohl melancholisch, weil Eros und Thanatos über allem zu schweben scheint.

Termin: Vorstellungen im Theaterhaus am Samstag und am Sonntag sowie am 17., 18., 19. und 21. Juli.