Per Smartphone lassen sich Flüge, Zug, Fernbus, Schiffsreise oder Hotel bequem buchen und kombinieren. Das bringt Reisebüros und klassische Veranstalter unter Druck – deren Angebote für Reise-Apps sind noch überschaubar.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Stuttgart - Für Rüdiger Grube steht fest: die Digitalisierung wird das Reisen grundlegend verändern. Der Vorstandschef der Deutschen Bahn (DB) treibt den Umbruch im größten Transportkonzern Europas voran und hat 150 digitale Projekte anschieben lassen. Ein Schwerpunkt: mit dem Smartphone sollen Bahn-Fahrer bald noch komfortabler unterwegs sein.

 

Schon heute ist der DB Navigator die meistverbreitete Reise-App in Deutschland. 120 Millionen Auskünfte werden damit jeden Monat abgerufen. Der mobile Helfer liefert Ankunfts- und Abfahrtzeiten in Echtzeit inklusive Verspätungs-Alarm, ermöglicht Sitzplatzreservierungen und natürlich Buchungen. Mit dem Handy lassen sich Fahrkarten binnen Minuten kaufen, aufs Display laden und nutzen.

Apps als willkommene Helfern beim Reisen

Vier Millionen dieser Handytickets wurden 2014 verkauft, weitere 2,3 Millionen bis Mai – und damit 70 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. In fünf Jahren will der Konzern über seine Homepage und Smartphones genauso viele Fahrkarten absetzen wie am Schalter, an Automaten, in Reisezentren und Agenturen. Schon jetzt sind die digitalen Vertriebskanäle mit 30 Prozent der wichtigste Absatzweg. Unter dem Stichwort Mobilität 4.0 soll die Vision einer voll vernetzten Reise wahr werden. Schon bald können Bahn-Fahrer mit dem DB Navigator den Weg von der Haustür bis zum Gleis, Zugwaggon und Sitzplatz finden. Mit der App Qixxit lässt sich bereits die günstigste Reisemöglichkeit auswählen, das Programm vergleicht dazu die Verkehrsmittel, von Bus und Bahn über das Rad bis zum Mietwagen. Alles hat die DB im Angebot.

Das Beispiel des Marktführers zeigt: Apps werden für immer mehr Menschen zu willkommenen Helfern beim Reisen. Die Branche investiert Millionen in die Programme. Etablierte Pauschalreise-Veranstalter und vor allem der stationäre Vertrieb geraten dabei von mehreren Seiten unter Druck – und könnten für digitale User überflüssig  werden. Früher brachten Flug- und Hotelbuchungen den Vermittlern schöne Provisionen. Heute vermarkten Airlines und Hotels ihre Angebote am liebsten direkt online auf der eigenen Homepage oder immer häufiger per App. Denn die Bundesbürger greifen bei der Reiseplanung und -buchung verstärkt zum Smartphone oder Tablet, weil leistungsstarke Geräte sowie Internet- und Mobiltarife preiswert zu haben sind.

Auch Bordkarte und Gepäckbeleg lassen sich in der App speichern

Die Lufthansa hat bereits 10 Millionen Apps im Markt untergebracht, die sämtliche Glieder der Reisekette liefern. Wenn die persönlichen Daten eingegeben sind, werden Buchung und Check-in zum Kinderspiel, die Abfragefelder füllen sich automatisch. Auch Bordkarte und Gepäckbeleg lassen sich in der App speichern.

Die renditeschwache größte deutsche Airline will künftig noch stärker auf den günstigen digitalen Direktvertrieb setzen, um Vertriebskosten zu sparen, Kundendaten zu erhalten und  Zusatzgeschäfte machen zu können. Tickets, die über Buchungssysteme wie Amadeus, Travelport oder Sabre verkauft werden, sollen künftig 16 Euro Aufschlag kosten. Auch Reisebüros sollen für ihre Kunden künftig direkt bei Lufthansa buchen, wenn sie die Zusatzkosten sparen wollen.

Im harten Wettbewerb mit Ryanair, Easyjet und arabischen Fluglinien will der deutsche Platzhirsch wieder konkurrenzfähiger werden. Denn die zahlreichen Online-Suchmaschinen für preiswerte Flüge wie Kayak, Skyscanner, Momono oder Idealo schaffen gnadenlos Transparenz. Wer zu teuer ist, landet auf den Ergebnislisten aussichtslos hinten und bekommt kaum einen Buchungsklick ab. In der digitalen Welt kann das Schicksal solcher Hinterbänkler schnell besiegelt sein.

Schon bald könnte jede zweite Buchung über Apps kommen

Die Apps verstärken den Konkurrenzdruck in der Reisebranche auf allen Ebenen nochmals. Beispiel Hotels: wer eine Unterkunft sucht, kann mit Holiday Check oder HRS blitzschnell von unterwegs Preise, Bewertungen und Verfügbarkeit von Unterkünften prüfen. Die HRS-App wurde weltweit schon 20 Millionen Mal heruntergeladen, der Anteil der Mobilbuchungen hat sich zwischen 2012 und 2014 auf 20 Prozent mehr als verdreifacht. Schon bald könnte jede zweite Buchung über Apps kommen, erwartet der führende deutsche Hotelvermittler. Auch die Zukunft von Hotels wird sich zunehmend in der digitalen Vertriebswelt entscheiden. Zumal Newcomer wie der kommerzielle Privatbettenvermittler Airbnb per App rund um den Globus rasch Marktanteile erobern.

Hat die klassische Reisebranche die App-Revolution verschlafen? Wer in den App-Stores von Android und Apple das Stichwort Reise eingibt, findet vorne in den Downloadlisten viele   Online-Reisebüros wie Expedia, Weg.de und Booking.com, vor allem   aber Schnäppchen-Portale wie Urlaubsguru, Travelzoo, Urlaubspiraten, Travel Deals 24 oder Ab in den Urlaub. Mit wenigen Wischen übers Smartphone lassen sich dort Pauschalreisen oder Bausteine bequem vergleichen und buchen. Die stationären Reisebüros dagegen sind kaum zu finden. Die Kooperation RTK Reisen bietet wenigstens eine App als Reisebegleiter mit Kalender, News, Reiseinfos und Insidertipps. Best-RMG, Lufthansa City Center und die Otto-Tochter Reiseland nutzen die Travel App für Urlaubsreisen von Amadeus Germany, die flexibel angepasst werden kann und auch Buchungsoptionen und die Möglichkeit der Liveberatung enthält. Amadeus-Vertriebschefin Uta Martens hofft, dass  sich die App als Standard auf dem Markt etabliert.

Die Angebote der Reiseveranstalter sind überschaubar

Und was machen die Reiseveranstalter? Deren Angebote sind überschaubar. Nur die drei Großen – TUI, Thomas Cook und REW/Der Touristik – bieten umfangreiche Service-Apps mit Reise-Infos, die Kunden binden sollen, aber keine umfassende Buchungsoption enthalten, weil man den stationären Vertrieb nicht verprellen will. Bestenfalls Mietwagen oder Ausflüge lassen sich hinzubuchen. Wer eine Reise kaufen will, muss das im Reisebüro oder direkt auf den Online-Seiten der Veranstalter tun.

Kein Wunder, dass Angreifer gerne in solche Lücken stoßen. Tripadvisor, die nach eigenen Angaben weltweit größte Reise-Website mit 170 Millionen App-Downloads, hat kürzlich im Heimatmarkt USA eine Buchungsfunktion vorgestellt, mit der User bequem ein Hotelzimmer reservieren können, ohne die Ratgeberseiten verlassen zu müssen. Natürlich haben die Amerikaner auch schon Apps für die neuen Apple- und Android-Uhren entwickelt. So können Kunden auf den smarten Uhren unterwegs die Tripadvisor-Bewertungen von Hotels, Restaurants und Attraktionen abrufen – und wohl auch bald direkt buchen.