Weil das Handy nicht tut, wird ein Schuldiger gesucht. Pfarrerin Ursula Wilhelm tangiert das nicht.

Stuttgart-Plieningen - Die Kirche hat bei ihrer Daseinsvorsorge für ihre Schäfchen im Flecken versagt.“ So hart urteilt ein Bürger. „Stuttgart-Schönberg hat keinen Handy-Empfang, und die Kirche ist schuld“, titelt der Journalist im „Spiegel“ nach seinen Gesprächen mit vom Funkloch betroffenen Schönbergern. „Die unerträglich bevormundende Haltung der Kirche macht mich zornig“, sagt einer von ihnen.

 

Die Wut darüber, in einem Funkloch zu sitzen, während man weiter die Beiträge für den Handyvertrag bezahlt, ist bei einigen Betroffenen direkt von der Telekom auf die Kirche umgeschwenkt. Der evangelische Kirchengemeinderat Birkach hat, wie berichtet, vor anderthalb Jahren den Mietvertrag mit der Telekom gekündigt. Zwar aus ganz eigenen Gründen: Es hatte eine Revolte gegen die Antenne gegeben. Dennoch ist sie mit diesem Schritt auch einer Empfehlung des evangelischen Gesamtkirchengemeinderats Stuttgart gefolgt. Dieser hatte 2010 beschlossen, auf seinen Immobilien keine Mobilfunkanlagen mehr zuzulassen und bestehende Verträge so bald wie möglich zu kündigen. Das gilt für 22 von 66 Kirchengemeinden in Stuttgart. Allen 44 anderen, die nicht zur Gesamtkirchengemeinde gehören, darunter Birkach, hat der Rat aber nahegelegt, es ihm gleichzutun.

„Die Kirche will zwangsbeglücken“

Auf aktuelle Nachfragen zwei Jahre nach der Entscheidung hat ein Vertreter der Gesamtkirchengemeinde bestätigt, dass man die ständige Verfügbarkeit durch das Mobiltelefon nicht unbedingt gutheiße. Das löst Empörung aus: „Die Kirche will zwangsbeglücken. Das verträgt sich nicht mit dem hehren Postulat, ganz nah beim Menschen sein zu wollen“, sagt ein Schönberger. „Die Kirche kann nicht die Wirtschaft regulieren“, sagt sein Nachbar.

Die Pfarrerin Ursula Wilhelm von der evangelischen Franziskakirche und das Kirchengemeinderatsmitglied Norbert Veit lassen die Vorwürfe kalt. Man stehe zu der Entscheidung gegen den Vertrag. „Wir sehen nicht ein, dass wir der Verteidiger der Telekom sind. Den müssen wir aber spielen, wenn wir die Antenne auf dem Dach haben“, sagt Veit.

Ursula Wilhelm lässt die Wut der Netzlosen nicht an sich ran, bezieht sie gar nicht auf sich persönlich. „Es sind negative Emotionen da, und dafür muss man irgendjemanden festnageln“, sagt sie. „Das ist die moderne Sündenbocktheorie.“ Sie finde es lediglich schade, dass niemand mehr nach ihren originären Aufgaben frage. Die Diskussion bringt ihrer Meinung nach nichts. „Jeder schiebt die Schuld dem anderen zu“, sagt sie. „Das führt zu keiner Lösung.“