Der Hamburger SV hat völlig überraschend mit 3:2 gegen den Deutschen Fußballmeister Borussia Dortmund gewonnen. Das lag vor allem an einem Spieler, der in Hamburg schon fast wie ein Heiliger verehrt wird: an Rafael van der Vaart.

Hamburg - Auch dem Superstar schien der Überschwang der Gefühle irgendwann zu viel zu werden. Nein, so gab Rafael van Vaart nach dem kleinen Wunder gegen Borussia Dortmund im Hamburger Volkspark zu Bedenken, die Mannschaft sei ja noch längst nicht da, wo sie eigentlich sein sollte. Aber andererseits hat der 29-jährige Fußballprofi auch ein begnadetes Talent, mit den turmhohen Erwartungen zu spielen, die beim Hamburger SV mit seiner Person assoziiert werden. „Wenn man den Deutschen Meister schlagen kann“, sagte er leise und mit einem Lächeln im Gesicht, „dann kann man jeden schlagen.“

 

Der überraschende 3:2-(1:0-)Sieg des HSV gegen Dortmund hatte viele erstaunliche Geschichten geschrieben. Etwa die Begebenheit, dass der BVB nach 31 Spielen ohne Niederlagen nun bei jenem Rekordclub verloren hatte, der zwischen Januar 1982 und Januar 1983 insgesamt 36 Mal ungeschlagen geblieben war. Auch die Tatsache, dass der Dortmunder Trainer Jürgen Klopp seinem Team öffentlich Lässigkeit vorwarf, verblüffte viele Beobachter. Schließlich verteidigt der Meistertrainer seine Schützlinge nach außen sonst stets wie ein Löwe.

Doch die eigentliche Geschichte dieses Spiels war die fast unwirkliche erscheinende Verwandlung des HSV. Noch vor vier Wochen hatte dieses Team gegen den 1. FC Nürnberg (0:1) ein erbärmliches Bild abgegeben. Die Fans hatten sich abgewandt, die Stimmung im Volkspark war so, als wäre der Club, der als einziger in der nun 50-jährigen Historie der Bundesliga stets dabei war, bereits abgestiegen. Diese Metamorphose in eine Mannschaft, die den Meister schlägt und 57 000 Fans in Euphorie versetzt, scheint deshalb kaum erklärbar.

Van der Vaarts Wechsel elektrisiert die Fans

Zumal diese Verwandlung ganz offensichtlich mit nur einem Spieler zusammenhängt: mit Rafael van der Vaart. Sein Wechsel von Tottenham Hotspur zum HSV, 13 Millionen Euro teuer und erst in letzter Minute in der Transferperiode zustande gekommen, hatte die Fans sofort elektrisiert. „Jesus ist da“, hatte ein Fan gejuchzt, und in der Tat scheint der verlorene Sohn, der schon von 2005 bis 2008 in Hamburg verehrt wurde wie einst nur Kevin Keegan, mit seiner Rückkehr den gesamten Club geheilt zu haben – durch bloße Anwesenheit.

Nun waren nicht allein die scheinbar übersinnlichen Kräfte, sondern auch die irdischen fußballerischen Fähigkeiten des Niederländers dafür verantwortlich, dass der HSV wieder Torgefahr entwickelt. Seine präzise Flanke auf den Kopf von Heung-Min Son hatte die schnelle Führung nach 100 Sekunden besorgt. Und auch das 2:1 durch Ivo Ilicevic (55.) hatte van der Vaart mit einem perfekten Steilpass vorbereitet. Er war das Zentrum des HSV-Spiels. „Es war ein wunderschönes Gefühl, endlich wieder in meinem Stadion zu spielen“, sagte er.

Fahrlässige Dortmunder

Andererseits wusste Rafael van der Vaart, dass sein Team auch viel Glück und einen starken René Adler im Tor benötigt hatte, um die ersten Punkte dieser Saison einzufahren. Die Dortmunder nämlich waren höchst fahrlässig mit ihren 26 Torchancen umgegangen, nur Ivan Perisic traf mit einer verunglückten Flanke (46.) zum 1:1 und mit einem Abstauber (60.) zum 3:2. „Wir hätten sieben oder acht Tore schießen müssen“, haderte der BVB-Verteidiger Mats Hummels, der wie sein Nebenmann Neven Subotiv aber unfassbare Fehler machte. Den Fehlpass in unbedrängter Lage zu Son etwa, der zum 3:1 (59.) geführt hatte.

Der spielerischen Überlegenheit des Meisters hatten die Hanseaten mit großer kämpferischer Einstellung getrotzt. „Es war der pure Kampf“, sagte Tolgay Arslan: „Wir wollten sie kaputt rennen.“ Diesen Sieg habe sich sein Team leidenschaftlich erkämpft, sagte van der Vaart. „Denn Dortmund hatte natürlich mehr Spielanteile und einige gute Chancen, doch wir haben fantastisch dagegengehalten.“