Von wegen deutscher Clásico: Wenn der FC Bayern am Samstag um 18.30 Uhr den BVB empfängt, war die Kluft zwischen Münchnern und Dortmundern lange nicht mehr so groß wie derzeit.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

München - Es ist das Duell der Deutschen Meister der vergangenen fünf Jahre, das Wiedersehen der Champions-League-Finalisten von 2013. Wenn allerdings der FC Bayern München am Samstag (18.30 Uhr) Borussia Dortmund empfängt, dann spricht derzeit wenig für ein Treffen auf Augenhöhe. Zu groß ist die Kluft, die sich zwischen dem Spitzenreiter und dem Tabellen-15. auftut. 14 Punkte beträgt der Abstand zwischen dem FCB und dem BVB bereits. Der Rekordmeister hat die Westfalen, gegen die man zwischen Oktober 2010 und Mai 2012 in Pokal, Liga und Supercup sechsmal am Stück verlor, also ordentlich abgehängt. Und es gibt Gründe für die unterschiedliche Entwicklung der Clubs.

 

Abwerbung: Schon früher, etwa zu Zeiten der Titelduelle mit Werder Bremen, war es eine Transferstrategie der Münchner, dem Konkurrenten die Stars auszuspannen. Was damals etwa bei Andreas Herzog oder Mario Basler funktionierte, klappt heute noch: 2013 wechselte Mario Götze für 37 Millionen Euro Ablöse vom BVB zu den Bayern; im Juli kam Robert Lewandowski ablösefrei – und nun ist Marco Reus ins Blickfeld der Münchner gerückt. „Wenn sich die Bosse um Karl-Heinz Rummenigge öffentlich mit Reus beschäftigen, haben sie auch gute Chancen, ihn zu bekommen“, sagt der einstige Bayern-Torwart Oliver Kahn. Geht Reus, der per Ausstiegsklausel für 25 Millionen Euro zu haben ist, wäre die Borussia einer weiteren zentralen Figur beraubt. Laut „Bild“ soll Uli Hoeneß bei seinem zweiten kurzen Freigang aus der Haft aber vor dem Reus-Transfer gewarnt haben: „Wollt ihr schon an Weihnachten Meister werden?“

Transferpolitik: Wie bei Lewandowski sind dem FC Bayern weitere Transfertreffer gelungen: Juan Bernat vom FC Valencia stabilisiert die linke Seite; und Mehdi Benatia entwickelt sich zu einer soliden Alternative für die Innenverteidigung. 28 Millionen Euro überwies man für den Marokkaner an den AS Rom, was zeigt, dass Geld nicht die primäre Rolle spielt, wenn der Branchenführer einen Spieler benötigt. Ein goldenes Händchen bewiesen die Bayern-Bosse mit ihrem Last-Minute-Transfer: Xabi Alonso, Welt- und Europameister aus Madrid, kam erst Ende August und hat sich schnell zum allseits akzeptierten Chef auf dem Rasen entwickelt. Der 32-Jährige ist das Herz des Bayern-Spiels. Legendär sind seine 206 Ballkontakte aus der Partie in Köln. Ein Bundesliga-Rekord.

Die BVB-Führungsriege investiert 50 Millionen Euro

Mit diesen Erfolgen auf dem Spielermarkt kann die BVB-Crew um den Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke („Sie sind das Maß der Dinge. Aber es ist nicht ausgeschlossen, dass wir in München etwas mitnehmen“) und den Sportdirektor Michael Zorc nicht mithalten, obwohl man in zwei Jahren stolze 50 Millionen Euro in den Kader investierte.

So ist der Königstransfer der Borussen, der italienische Nationalstürmer Ciro Immobile („Ich brauche noch Zeit“) trotz seines Tores beim 3:0 im Pokal auf St. Pauli weiterhin nicht ins BVB-System integriert. Auch die anderen Neuen, Shinji Kagawa (für 8 Millionen Euro von Manchester United), Adrian Ramos (9,5 Mio./Hertha BSC) sowie Matthias Ginter (10 Mio./SC Freiburg) sind bisher keine Stützen der Elf.

Verletzungen: Wie sein Kollege Pep Guardiola, der neben den Langzeitausfällen Bastian Schweinsteiger, Javier Martinez, Thiago, Holger Badstuber und Pepe Reina immer wieder auf den angeschlagenen Franck Ribéry und auf Arjen Robben verzichten musste, hatte auch Dortmunds Trainer Jürgen Klopp im ersten Saisondrittel viele Verletzte zu beklagen: So fielen etwa Ilkay Gündogan, Mats Hummels, Marco Reus, Marcel Schmelzer, Henrich Mchitaryan oder Nuri Sahin aus. Im Münchner Luxuskader ließ sich die Vielzahl an Ausfällen besser kompensieren.

Trainer: Der BVB glänzt inzwischen nur in der Champions League, wo die Bilanz bei drei Siegen ohne Gegentor steht. Die Serie von vier Liga-Niederlagen am Stück zehrt allerdings an Klopp. Sie hat aus dem eloquenten Tausendsassa einen latent gereizten Trainer gemacht. „Leider haben meine Spieler den Medien eine tolle Vorlage für ihre Krisengeschichten gegeben“, ätzte Klopp zuletzt, als Mats Hummels nach dem 0:1 gegen Hannover seinen Torhüter Roman Weidenfeller für dessen langsame Reaktion beim Gegentor öffentlich kritisierte.

Dagegen hat Pep Guardiola beim einstigen FC Hollywood trotz der Probleme (Schweinsteigers Comeback steht weiter in den Sternen) Ruhe reingebracht. Einzige Ausnahme war sein Zwist mit dem Teamarzt Müller-Wohlfahrt um die richtige Behandlung von Thiago. Während die Bayern unter Guardiola in dieser Spielzeit taktisch noch flexibler geworden sind (der Trainer spielte bereits ein 3-4-3, 4-3-3 und 4-2-3-1), darf sich Klopp allein an der Statistik aufrichten: In den vier Jahren beim BVB holte er in München drei Siege und ein Unentschieden.