Die kommende Fußball-Bundestrainerin Steffi Jones wird in der Frauenfußball-Bundesliga kritisch gesehen, weil sie keine Erfahrung als Coach hat. Und noch etwas sorgte für eine Überraschung.

Frankfurt - Noch immer weiß Bernd Schröder nicht genau, ob er sich weiter aufregen soll. Zumindest wunderte sich der Coach von Turbine Potsdam auch am Dienstag auf der Busfahrt nach Frankfurt zum Pokal-Halbfinale beim 1. FFC Frankfurt an diesem Mittwoch, was in der Verbandszentrale beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) ausgeheckt worden ist. „In der freien Wirtschaft gibt es so was nicht, dass anderthalb Jahre vorher eine so weit reichende Entscheidung getroffen wird“, kritisiert der dienstälteste Trainer der Frauen-Bundesliga die Entscheidung über die neue Bundestrainerin.

 

Kein verfrühter Aprilscherz

Zunächst hatte der 72-Jährige  an einen Aprilscherz geglaubt, als bekannt wurde, dass Steffi Jones im September 2016 als DFB-Direktorin auf den Posten der Bundestrainerin wechseln und Silvia Neid beerben soll. „Ich kann Steffi gut leiden“, sagt Schröder, „aber wenn sie nicht einen sensationellen Mitarbeiterstab bekommt, wird sie einen ganz schweren Stand haben.“

Die Nationalteam-Managerin wird nicht gefragt

Die Entscheidung sollen der DFB-Präsident Wolfgang Niersbach, der Generalsekretär Helmut Sandrock und dessen Stellvertreter Stefan Hans  ausgeknobelt haben – erstaunlicherweise wurde die Nationalmannschafts-Managerin Doris Fitschen dem Vernehmen nach übergangen. Es ist vor allem die fehlende Erfahrung als Trainerin, die Kritik an der Frankfurterin auslöst. Skepsis klingt sogar beim 1. FFC Frankfurt an, wo die 111-malige Nationalspielerin  reihenweise Titel einheimste. „Ich war überrascht, dass der DFB sich in der Frage so früh festlegt“, sagt der Manager Siegfried Dietrich.

Der 57-Jährige hatte Jones bis 2007 beraten und  preist einerseits ihre unbestrittene Persönlichkeit, anderseits klingt unverhohlen Skepsis beim PR-Strategen durch: „Ich wünsche mir sehr, dass sie diesen völlig neuen Anforderungen und der großen Herausforderung einer völlig neuen Rolle gerecht wird. Eine Mannschaft zu coachen, speziell die bestens ausgebildeten Fußballerinnen, erfordert natürlich eine differenzierte Qualität als Trainerin.“

Den Zweijahresvertrag sehen viele als Experiment

Die Mehrzahl der Frauenvereine soll die Jones-Personalie zumindest erstaunt aufgenommen haben, doch kaum einer will sich mit dem Verband anlegen, der den Clubs über den Liga-Namenssponsor finanziell kräftig unter die Arme greift. Klar ist: der Zweijahresvertrag für die 42-jährige „Kaiserin“, so ihr Spitzname vor der Heim-WM 2011, darf als Experiment gewertet werden in einer Phase, in der der Frauenfußball in Skandinavien, Nordamerika und speziell Frankreich, dem WM-Ausrichterland 2019, immer professioneller aufgestellt wird. Dass auf dem Trainersektor ein Mangel an qualifizierten weiblichen Vertretern besteht, ist unbestritten: Niersbach hat erst neulich aus einer Uefa-Statistik zitiert, wonach nur ein Prozent der Trainerschein-Absolventen Frauen seien. Und bei der Fifa ist erst Anfang des Monats die Notwendigkeit von Quotenregelungen formuliert worden, um Frauen in Führungspositionen zu hieven – Trainerposten inklusive.

Die Personaldecke ist zu dünn

Selbst  hierzulande, wo bisher 26 Frauen den Fußballlehrerschein bestanden haben, besteht Nachholbedarf: Mit der Ex-Nationalspielerin Inka Grings (MSV Duisburg) ist aktuell nur eine Cheftrainerin bei den zwölf Teams der Frauen-Bundesliga tätig. Es mutet da fast wie Ironie an, dass am Montag die U-20-Weltmeistertrainerin Maren Meinert als erste Frau den deutschen Trainerpreis überreicht bekam. Die Beförderung  als Nachfolgerin Neids lehnte die integre Meinert aber ab. Noch fühlt sich die 41-Jährige beim Nachwuchs zu wohl.

Kein Thema  war als neue Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg, obwohl sie perfekt ins Anforderungsprofil passte: Die 47-Jährige arbeitete drei Jahre erfolgreich als Trainerin des ehemaligen FCR 2001 Duisburg und führte nun just das Schweizer Team  erstmals zur WM. „Sie ist eine Führungspersönlichkeit, die große Erfolge vorzuweisen hat“, sagt selbst Doris Fitschen. Die 125-malige Nationalspielerin soll dem DFB indes zu streitbar sein. Immerhin: die Schweiz darf am 27. Mai die WM-Generalprobe gegen die deutsche Elf bestreiten.