Die Trainerin der Nationalmannschaft versucht vor dem letzten Testspiel ihrer Frauen gegen Norwegen die Erwartungen zu dämpfen.

Frankfurt/Main - Hellblau ist eigentlich die Farbe, die normalerweise die Kleider von kleinen Jungen haben. Doch der in diesem Ton gehaltene Trainingsanzug steht auch dem gesamten Tross der deutschen Frauenfußball-Nationalmannschaft ziemlich gut, derjenige der Cheftrainerin inklusive. Zumal es wohl ein bisschen kitschig wäre, wenn Silvia Neid plötzlich in rosafarbenem Outfit zu Pressekonferenzen erscheinen würde. Am Mittwoch hat sich die 47-jährige Trainerin deshalb in der blauen Dienstkleidung ans Mikrofon gesetzt, um aus der Frankfurter Verbandszentrale einige Botschaften zu verkünden.

 

Eine zentrale Botschaft zielt dabei auf die fast überbordende Erwartungshaltung in Deutschland ab, wo es ja fast jeder als Selbstverständlichkeit betrachtet, dass die Fußballerinnen nach 2003 und 2007 das dritte Mal in Folge Weltmeister werden. "Was wäre denn so schlimm daran, wenn nicht? Die Welt geht davon nicht unter. Schlimm wäre es, wenn wir ohne Titel eine Naturkatastrophe auslösen würden", hat die Badenerin kürzlich gesagt, um nun anzufügen: "Wir können den Titel im eigenen Land zwar gewinnen, aber wir wollen diese Heim-WM in erster Linie genießen." So lautet die Vorgabe der Welttrainerin des Jahres an ihre 21 Auserwählten: "Das Turnier soll Freude machen."

Die Vorfreude ist groß

Eine Herangehensweise, die pünktlich vor der WM-Generalprobe am Donnerstag gegen den Mitfavoriten Norwegen (20.30 Uhr/ZDF) angekommen ist. "Das ist für uns alles kein Druck, sondern wir können es kaum erwarten, dass es losgeht", versichert die lebensfrohe Rheinländerin Celia Okoyino da Mbabi, während die eher pragmatisch gestrickte Ruhrgebietlerin Linda Bresonik betont: "Negative Wörter sind bei uns nicht zu finden. Es kann doch nur Riesenbock machen, am 26. Juni in ein volles Berliner Stadion einzulaufen."

Das Wochenende zuvor ist frei - nach dem finalen Test am Mainzer Bruchweg, wofür erst 10.000 Karten verkauft sind, hat Silvia Neid ihre Spielerinnen zum ersten Male für ein paar Tage von sportlichen Ertüchtigungen befreit, "jede kann nach eigenem Ermessen etwas tun". So viel Freiraum ist selten bei der akribisch arbeitenden Fußballlehrerin, die seit Anfang April in insgesamt sieben Lehrgängen ihr Team auf höchstes Niveau gebracht hat.

Die Liebe tritt in den Hintergrund

Die Frau des Teampsychologen Anno Schimpf hat ausgerechnet, dass es vom Vorbereitungsstart Anfang April bis zum Finale Mitte Juli überhaupt nur 23 Tage gibt, an denen die Fußballerinnen ihre Lebenspartner theoretisch sehen konnten oder können. "Ich habe noch nie so hart trainiert", hat Kerstin Garefrekes verraten, und die 31-jährige Außenspielerin ist immerhin schon seit zehn Jahren dabei.

Silvia Neid ist in ihrem Vorgehen und Tun konsequent - und mitunter auch knorrig. Dass das Team sich nun beispielsweise in einer Preview in einem Frankfurter Kino den "Tatort: Im Abseits" angesehen hat, der am Sonntag ausgestrahlt wird, kommentierte die Trainerin mit dem knochentrockenen Statement: "Wir leben glücklicherweise in der Realität und nicht im Film." In dem Film, in dem der DFB-Präsident Theo Zwanziger, die Organisationschefin Steffi Jones und Celia Okoyino da Mbabi ("Zwei Tage Dreharbeiten für zwei Sekunden und einen Satz") Nebenrollen spielen, geht es um den Mord an einer Fußballerin mit Migrationshintergrund: um Fadime Gülüc (gespielt von Filiz Koc), eine deutsche Nationalspielerin türkischer Herkunft, die nicht bloß auf dem Fußballfeld eine gute Figur abgibt und sich so aufreizend vermarktet, dass sie von ihrer Trainerin nicht eingesetzt wird.

In Teilen ist da eine Parallele zur anfangs auch außen vor gelassenen Nationalspielerin Fatmire Bajramaj auffällig, wenn auch bei der sportlichen Situation zufällig. Doch Silvia Neid mag dazu nichts sagen. Die Bundestrainerin, die sich im täglichem Umgang von einem Teil der älteren Spielerinnen duzen und "Silv" nennen, aber vom (jüngeren) Rest mit "Frau Neid" anreden lässt, hat ihre Prinzipien. Mitunter wirkt das ein wenig sperrig, etwa, als sie nicht verraten wollte, ob die angeschlagene, aber wieder trainierende Birgit Prinz gegen Norwegen in der Startelf stehe. Nur so viel durfte raus: "Birgit wird auf jeden Fall spielen. Es wird ja Zeit, dass wir zeigen, was wir trainiert haben."

Eindrücke aus dem Trainingslager.