Von allen Seiten prasselt die Kritik auf die Kultusministerin ein. Nun will die Opposition auch noch den Rücktritt von Gabriele Warminski-Leitheußer beantragen. Für Grün-Rot wird das eine Bewährungsprobe.

Stuttgart - Die Opposition will an diesem Freitag im Landtag den sofortigen Rücktritt der umstrittenen Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer (SPD) beantragen. CDU und FDP wollen zu Beginn der Sitzung einen Dringlichkeitsantrag stellen, hieß es am Donnerstagabend in Stuttgart. Union und Liberale halten die 49-jährige Ministerin für inkompetent, konzeptlos und unzuverlässig. „Gegenüber der Öffentlichkeit gibt sie durch dieses Handeln ihr anvertrautes Amt der Lächerlichkeit preis“, heißt es in dem Antrag der Fraktionsvorsitzenden Peter Hauk (CDU) und Hans-Ulrich Rülke (FDP).

 

Die Opposition stellt Grün-Rot damit auf die Probe. Denn Warminski-Leitheußer ist auch in der Koalition und vor allem in den Reihen der SPD-Fraktion umstritten. Ihr werden unter anderem Unzuverlässigkeit und mangelnde Motivation vorgeworfen. Zuletzt hatte es geheißen, der SPD-Vorsitzende und Finanzminister Nils Schmid habe ihr noch eine letzte Bewährungszeit bis Anfang nächsten Jahres eingeräumt. Auch die Gewerkschaft GEW ist auf Konfrontationskurs zur Ministerin. Bei der ersten größeren Lehrerdemonstration am Abend mit 1200 Teilnehmern ging GEW-Landeschefin Doro Moritz scharf mit Warminski-Leitheußer ins Gericht.

Opposition: Blindflug in der Bildungspolitik

CDU und FDP argumentieren, die Ministerin werde in der Kultusverwaltung sowie von den Lehrern nicht mehr als ernstzunehmende Gesprächspartnerin und Dienstvorgesetzte wahrgenommen. „Mit ihrer mangelhaften Termintreue belastet sie die Landesregierung und schadet letztlich dem gesamten Land Baden-Württemberg.“ Bereits in der aktuellen Debatte am Vormittag hatte die Opposition der Regierung einen „Blindflug“ in der Bildungspolitik vorgeworfen.

Die GEW warnte die Regierung davor, ihre ehrgeizigen Bildungsziele kaputtzusparen. Dorn im Auge ist ihr, dass bis 2020 insgesamt 11 600 Lehrerstellen gestrichen werden sollen. „Für mich ist es immer noch unfassbar, dass der Politikwechsel vorbei ist, bevor er richtig begonnen hat“, sagte Moritz bei einer Kundgebung auf dem Stuttgarter Schlossplatz.

Keine der hehren Ziele aus dem Koalitionsvertrag von Grünen und SPD seien umgesetzt worden, darunter mehr Ressourcen für Realschulen, Abbau des Unterrichtsdefizits oder ein umfassendes Ganztagsschulprogramm. Bildungspolitik werde im Finanzministerium, nicht im Kultusministerium entschieden.

Moritz: Inklusion muss Vorrang haben

Moritz beklagte, insbesondere komme die Teilnahme behinderter Kinder am Unterricht in Regelschulen (Inklusion) nicht voran. Die Inklusion sei ein Beispiel für die vielen geplanten Reformen von Grün-Rot, die an mangelnden Ressourcen zu scheitern drohten, sagte sie der Nachrichtenagentur dpa. Unter den Reformen müsse die Inklusion aufgrund der UN-Vorgaben Vorrang haben - etwa vor dem „unsinnigen“ sechsjährigen Gymnasium, der Rückkehr zu neunjährigen Gymnasialzügen oder der Einführung von Ethikunterricht ab Klasse eins.

Das Kultusministerium unterstrich den hohen Stellenwert der Inklusion. Fachleute aus dem Ministerium und der Regierungsfraktionen arbeiteten seit Monaten mit Hochdruck an Eckpunkten für eine Änderung des Schulgesetzes. Allerdings sei dies ein komplexer Prozess: „Qualität geht vor Schnelligkeit.“

Der FDP-Bildungsexperte Timm Kern sagte im Landtag, Grün-Rot verfolge eine Mischung aus „grüner Ideologie, rotem Dirigismus und ordnungspolitischem Blindflug“. Die Regierung stolpere ohne Konzept von Reform zu Reform. „Kein einziger Politikbereich der grün-roten Landesregierung steht derart im Kreuzfeuer der Fachverbände wie Ihre Bildungspolitik.“ Kern warf Grün-Rot vor, Gemeinschaftsschulen einzurichten, ohne ein durchdachtes bildungspolitisches Gesamtkonzept zu haben. Sein CDU-Kollege Volker Schebesta sagte, an den Schulen sei die Unterrichtsversorgung so schlecht wie nie zuvor.

„Bildung in Beton gegossen“

Warminski-Leitheußer wies die Kritik zurück und warf den Vorgängerregierungen aus CDU und FDP vor, in der Bildungspolitik nichts getan zu haben. „Stillstand in der Bildungspolitik ist sehr riskant, und Sie haben in den vergangenen Jahrzehnten Bildungspolitik in Beton gegossen.“ Grün-Rot habe seit dem Regierungswechsel sehr viel Geld für die Bildung in die Hand genommen - insgesamt 1,1 Milliarden Euro, sagte die Ministerin.

Vor den demonstrierenden Lehrern sagte sie, mit der Haushaltskonsolidierung müsse nun begonnen werden, damit 2020 die Schuldenbremse eingehalten werden könne. „Ich kämpfe um jeden Euro und jedes einzelne Lehrerdeputat“, sagte die Ressortchefin, die nur Teile von Moritz’ Rede anhörte.