Die 49-jährige parteilose Göppingerin kann von Anfang an auf die Unterstützung der CDU und der Freien Wähler in Fellbach setzen.

Göppingen/Fellbach - Mit ihrer frühzeitig angekündigten Kandidatur hat Gabriele Zull den Wahlkampf in Fellbach (Rems-Murr-Kreis) um den Oberbürgermeisterposten gut zwei Wochen vor Beginn der Bewerbungsfrist eröffnet. Die 49-jährige parteilose Göppingerin kann von Anfang an auf die Unterstützung der CDU und der Freien Wähler in Fellbach setzen.
Frau Zull, Ende der vergangenen Woche haben Sie sich mit den Fraktionen von CDU und Freien Wählern in Fellbach getroffen, wie verliefen die Gespräche?
Das waren aus meiner Sicht zwei gute Vorstellungsrunden, die in einer sehr angenehmen und entspannten Atmosphäre verlaufen sind. Es hat mich sehr gefreut, dass mich beide Fraktionen so freundlich aufgenommen und mir ihre Unterstützung zugesagt haben. Aber letztlich entscheiden die Bürgerinnen und Bürger. Und in den kommenden Wochen möchte ich möglichst viele von ihnen kennenlernen und erreichen.
Welche Erfahrungen aus Göppingen nehmen Sie mit in den Fellbacher Wahlkampf?
Mir ist die Authentizität im Amt sehr wichtig. Ich weiß, ich sitze nicht auf einem hohen Thron. Vielmehr möchte ich wissen, was die Menschen in der Stadt bewegt. So halte ich es auch in Göppingen, ich bin gerne präsent und kenne die Leute. Ich nehme meine Aufgaben in Göppingen sehr ernst und habe breite Erfahrungen gesammelt, darauf kann ich gut aufbauen.
Wie wichtig ist Loyalität?
Loyalität ist mir sehr wichtig, genauso wie gegenseitiges Vertrauen und Respekt. Über Sachthemen kann und muss man sich auseinandersetzen, und es darf auch gestritten werden. Das gehört zum Abwägungsprozess. Und wenn eine Entscheidung getroffen wurde, muss man sie auch vertreten. In diesem Sinne fördere ich auch meine Mitarbeiter, weil ich weiß, wie wichtig ein gutes Team ist.
Gilt das auch für die Frauenförderung?
Ja, Frauenförderung ist für meine Begriffe sehr wichtig, auch wenn ich bei der Forderung nach einer Quote zurückhaltend bin. Mir ist die Mischung im Team wichtig, denn Frauen und Männer gehen Dinge oft unterschiedlich an.
Die Fellbacher CDU hatte ja gezielt nach einer Bewerberin als OB-Kandidatin gefahndet. Ist das für Sie ein Vorteil?
Ich bin da gespalten, denn ich möchte nicht für mein Frau-Sein gewählt werde, sondern weil ich einen guten Job mache und kompetent bin und weil ich die Menschen erreichen kann.
Manche Kinder wollen Feuerwehrfrau oder Stewardess werden. Wie sah Ihr Karriereplan in der Grundschule aus?
Bürgermeisterin war da noch nicht vorgesehen. Eigentlich wollte ich Tierärztin werden, das ist auch kein Wunder, mein Opa war Tierarzt. Und das wollte ich auch.
Einen OB-Chefsessel hatten Sie also nicht unbedingt im Auge. Weshalb bewerben Sie sich um die Nachfolge von Christoph Palm?
Als ich hörte, dass Herr Palm aufhören will, habe ich mir gleich gedacht: Das wäre doch eine sehr schöne, reizvolle Aufgabe. Und ein Freund hat mir gesagt: Du würdest doch gut nach Fellbach passen. Aber erst als der Anruf kam, wurde es konkret.
Wann klingelte denn das Telefon?
Im April. Wir sind dann mit der Familie hingefahren und haben uns alles angeguckt. Aber: Sich als OB aufstellen zu lassen, diesen Schritt macht man nicht einfach so, das war mit der Familie schon ein sehr intensiver Prozess. Wir sind in Göppingen tief verwurzelt, haben vor zwölf Jahren ein Haus gebaut, mit einem Tonstudio unten für meinen Mann. Mein Sohn spielt Fußball und Tennis und hat – wie wir auch – in Göppingen seinen Freundeskreis. Aber er ist überzeugt, dass er auch in Fellbach gute Vereine findet. Deshalb hat er schon bald zu mir gesagt: Mama, können wir machen.
Die Entscheidungsfindung im Hause Zull war also keine Selbstverständlichkeit?
Mir war die Zustimmung meiner Familie sehr wichtig. Aber ich bin kein Mensch langer Entscheidungen. Ich habe auch meinen Mann im Februar 1997 kennengelernt, im Herbst haben wir geheiratet.
Als neue Kandidatin hat man ja den unbefangenen Blick von außen. Was sind aus Ihrer Sicht die Stärken Fellbachs?
Fellbach spielt in der Liga der Städte mit vergleichbarer Größe eine außergewöhnliche Rolle. Das Rathaus, die Schwabenlandhalle, die Alte Kelter oder das Familien- und Freizeitbad F3 – das ist alles auf einem absolut hohen Niveau. Und es gibt eine reizvolle Landschaft – man hat das Gefühl, dass die Fellbacher gerne hier leben. Infrastruktur, Bildungslandschaft, Kultur, viele Vereine, die Ehrenamtlichen, exzellenter Weinbau, dazu eine starke Wirtschaft – ich glaube, dass viele andere Städte Fellbach um diese Situation beneiden. Faszinierend finde ich diese Mischung, einerseits mit der dörflichen Struktur und andererseits das Städtische, ja Großstädtische.
Und die Schwächen? Woran hapert es aus Ihrer Sicht unterm Kappelberg?
Ich möchte es nicht als Schwäche, sondern lieber als Herausforderung formulieren. Der Einzelhandel ist sicher ein Punkt, um den man sich kümmern muss, ebenso die ganze Verkehrssituation. Ein großer Punkt wird die Schulentwicklung sein und sicher auch, dass es bezahlbaren Wohnraum gibt, damit die Stadt auch für junge Familien weiterhin attraktiv bleibt. Da die Infrastruktur auf einem beachtlich hohen Niveau ist, geht es im Blick auf die Finanzen auch um die Herausforderung, diesen Stand zu halten.
Wie stehen Sie eigentlich zur Fellbacher Gretchenfrage, dem Nord-Ost-Ring?
Dass Berliner Politiker und Beamte so einen Straßenmoloch wieder hervorholen, ist schon bemerkenswert. Es ist klar, dass man im Kampf gegen dieses Projekt alle Mittel ausschöpfen muss und sich als OB an die Spitze der Bewegung setzt – ich würde das weiter wie Christoph Palm vertreten.
Apropos Stärken und Schwächen: Wie sieht das bei Ihnen persönlich aus?
Bei Schwächen heißt es ja meist: Es fehlt die Geduld. Wenn ich von etwas überzeugt bin, versuche ich schon, es umzusetzen. Aber ich lasse mich mit guten Argumenten auch überzeugen, dass etwas nicht richtig ist. Eine Schwäche ist vielleicht, dass ich versuche, sehr nah bei den Menschen zu sein und ich mit vielen persönlichen Kontakt halte. Da sind einem als Amtsträger Grenzen gesetzt, man kann sich ja nicht um alles persönlich kümmern.
Die Herzen bei CDU und FW/FD haben Sie ja im Sturm erobert. Halten Sie sich auch für SPD und Grüne für wählbar?
Es trifft schon zu, dass mir christliche Grundwerte sehr wichtig sind. Allerdings sollten in der Kommunalpolitik die parteipolitischen Ansätze keine so große Rolle spielen. Hier geht es fraktionsübergreifend jeweils um die Sache, unabhängig von ideologischen Vorbehalten. Jede Unterstützung ist wertvoll, aber letztlich ist es ja eine Wahl, bei der die Bürgerinnen und Bürger entscheiden. Mir geht es darum zu zeigen: Ich bin so, wie ich bin, ich erzähle nicht irgendetwas. Ich bin jemand, der zuhört, abwägt, sich intensiv mit der Sache befasst. Ich bilde mir eine Meinung und versuche, Mitstreiter zu finden. Wenn ich etwas für richtig halte, bin ich sehr zielstrebig. Als OB muss man schon sagen, wo wir lang wollen.
In Göppingen wird Ihre Bewerbung ja auch auf das schlechte Betriebsklima an der Rathausspitze zurückgeführt.
Nein, das ist eine bewusste Entscheidung für Fellbach, nicht etwa gegen Göppingen.
Also keine Flucht wegen der Atmosphäre?
Nein, da würde man keinen so weitreichenden Schritt machen. Meine Entscheidung ist gefallen, im Gespräch mit meiner Familie. Ich bin jetzt 49 – wenn es einen richtigen Zeitpunkt gibt, dann jetzt.