Früher verirrten sich Udo Lindenberg und die Bee Gees hierher. Heute steigen in Gabys Gruft in Stuttgart die Konzerte der düsteren und lauten Sorte. Hinter dem Laden steckt eine Gastronomin, die jeden willkommen heißt – außer Satanisten.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Um in Gabys Gruft zu gelangen, muss man erst durch eine schwere Stahltür, dann wenige Stufen Richtung Souterrain. Die Tür öffnet sich, und schon steht man in einer schwarz gestrichenen Fantasiewelt. Engelchen küssen Totenköpfe, über alten Holzbalken schimmert bläulich Lametta, an der Wand hängen mit Zollstöcken gebaute Pentagramme. Willkommen in der Gruft von Gaby Vernaleken, die ihr Alter nicht verraten und einfach nur Gaby genannt werden will.

 

An diesem Mittwochabend ist ansonsten kein Besucher in Gabys Gruft, wie so oft wenn keine Konzerte sind. „Wer fährt schon hierher, in den Osten?“, fragt Gaby. Stimmt schon, Gabys Gruft liegt ein bisschen ab vom Schuss, zwischen Ostendplatz und Gaskessel. Doch die Haußmannstraße 235 ist nicht nur Freunden der spanisch-portugiesischen Küche bekannt (durch das Tasca, das direkt über Gabys Gruft liegt): Da wo es sich seit 2010 Gaby gemütlich macht, war zuvor jahrzehntelang das Feuilleton: eine legendäre Kleinkunst- und Livemusikkneipe, in die sich einst Udo Lindenberg und angeblich sogar die Bee Gees verirrt haben sollen.

Wo einst Udo Lindenberg verkehrte

Lange her ist das. Heute verirren sich an normalen Tagen oft gar keine Besucher hierher, zu Konzertnächten jedoch manchmal richtig viele. Gruftis auch? „Ja, schon, aber nicht so viele“, sagt Gaby. Sie lacht. „In einer Gruft sind doch vor allem Untote, oder?“, und schwärmt davon dass „auch mal ein schöner Punk mit Iro oder geschminkte Schwermetaller“ bei ihr vorbeischauten. Schwermetall, also Heavy Metal, läuft hier neben Punk, Gothic und ganz generell Rockmusik. Je nach Musikrichtung ist das entsprechende Publikum zugegen. Jeder kommt, wie er will. „Nur Satanisten, die haben hier nichts verloren“, sagt Gaby.

Und erzählt ihre Geschichte mit Livemusik. Ende der Neunziger hatte sie an der Hauptstätter Straße einen Laden namens „zur Gruft“, berichtet Gaby. Der lief auch wegen diverser Behördensachen nicht so, wie er sollte. Lange Jahre arbeitete Gaby im Schlampazius, der Kneipe neben dem Bluesclub Laboratorium – also der besten, leider auch einzigen verbliebenen Livemusikinstitution des Stuttgarter Ostens.

2010 hörte sie vom damaligen Feuilleton, überredete den Tasca-Betreiber Joachim Hackh zu ihrem geplanten „Schwarzprogramm“ und dann ging’s los. Als erste Band traten Stuttgarter Punker in dem Laden auf: Die verwesten Altlasten nennt sich die Band, die laut Internetrecherche wiederum eine Fusion der Gruppen Drexschleuder und Blasenschwäche darstellt. In Stuttgart mag viel die Rede von Subkultur sein, echte Subkultur findet zum Beispiel in Gabys Gruft statt.

Aber, so ist das eben auch mit Subkultur und dem Stuttgarter Osten, die Massen strömen hier nicht her. Meistens, berichtet Gaby, bringen die Bands ihr Publikum im Wesentlichen selbst mit. Gibt es denn keine Szene, in der sich Konzerttermine herumsprechen? Zumal nachdem einschlägige Institutionen wie der Z-Club, die Röhre und der Landespavillon Stuttgart 21 zum Opfer gefallen sind? „Ich weiß es nicht“, sagt Gaby und schaut ein bisschen traurig. Vielleicht, so vermutet sie, ist die Szene aus der Stadt geflohen: „In den Dörfern rund um Stuttgart geht so viel mehr als hier.“


Gaby macht in ihrer Gruft alles selbst, auch das Musikprogramm. Gerade liegt die Bewerbung einer Augsburger Band auf dem Tresen. Der CD-Player schluckt die selbstgebrannte Scheibe erst nach ein paar Minuten, macht aber nichts. Gaby hört rein, liest sich den von Hand auf Karopapier geschriebenen Bewerbungstext durch, „ich hab mit denen heute ja auch schon telefoniert“.

Gebongt. Die Band kann sich einen Termin aussuchen, zahlt auch nix, um bei Gaby spielen zu dürfen. Dafür muss die Gruppe vom Schlagzeug bis zur Gesangsanlage alles selbst mitbringen. Gaby kassiert an dem Abend den Getränkeumsatz, die Band kann ein bisschen Eintritt nehmen. „Soll ja wenigstens das Spritgeld wieder reinkommen“, sagt Gaby. Ja, das ist der Deal in der Subkultur, vielleicht bei Kneipenkonzerten generell: reich wird hier niemand, weder die Band noch Gaby.

Brutal Death Metal im Oktober

Nach einem eher ruhigen September geht es bei Gaby im Oktober konzertmäßig rund. Ihr persönliches Highlight ist der Auftritt von Inferia, einer finnischen Band, am 9. Oktober. Lokale Unterstützung kommt von den Stuttgarter Bands Boiler und Abrasive; Letztere hat das Konzert organisiert und wird an dem Abend ihren „Brutal Death Metal“ präsentieren. Da dürfte die Gruft voll werden.

Wer sonst mal in Gabys Gruft vorbeischauen will, beachte die auf der Website veröffentlichten Konzerttermine. Oder er kommt einfach so vorbei: Außer sonntags hat die Gruft immer auf, respektive sie kann ihre Türen jederzeit öffnen – „eben auf Zuruf“, sagt Gaby. Ihre Handynummer steht ebenfalls auf der Website.