Eine ganze Schar Degerlocher Gänse muss nicht in den Stall. Gänsewirt Rolf Wais erhält eine Ausnahmeregelung vom Veterinäramt. Im Gegenzug wird er geschlachtete oder verendete Tiere auf das für Geflügel gefährliche Vogelgrippevirus untersuchen lassen.

Degerloch - Ein Stück weit haben es die Gänse von Rolf Wais aus Degerloch den Füchsen zu verdanken, dass sie auch in Zeiten der Vogelgrippe den Himmel sehen dürfen. Die natürlichen Fressfeinde schleichen sich im Dunkeln an – auf der Suche nach einem appetitlichen Happen. Deshalb ist abends für die Tiere Schluss mit dem Freigang auf dem Gelände des Gänsehofs an der Epplestraße. „Wir haben dem Veterinäramt klargemacht, dass unsere Tiere ohnehin nur für eine gewisse Zeit nicht im Stall sind“, sagt Wais.

 

Das allein hat die Verwaltung aber nicht bewogen, eine Ausnahme von einer Regelung zu treffen, die seit jüngster Zeit in ganz Baden-Württemberg gilt. In der vergangenen Woche wurde eine Stallungspflicht für Geflügel beschlossen. Diese soll verhindern, dass Nutztiere mit ihren wilden Artgenossen in Kontakt kommen. Denn diese haben – vor allem im Norden von Deutschland – bereits das Influenzavirus H5N8 verbreitet.

Blutproben werden untersucht

Für den Gänsebetrieb in Degerloch soll diese Regelung nicht gelten, sagt Rolf Wais. Er bekomme vom Veterinäramt eine Ausnahmegenehmigung, die es ihm für eine bestimmte Anzahl von Stunden am Tag gestattet, seinen Tieren Auslauf auf der Gänseweide zu gewähren. Wais hat sich im Gegenzug verpflichtet, bei Schlachtungen Blutproben entnehmen zu lassen. Diese werden dann im Labor auf das Vogelgrippevirus untersucht.

Hartmut Mayle von der Dienststelle Veterinärwesen nennt eine weitere Pflicht, die der Betrieb in den kommenden Wochen erfüllen muss: „Sollte eine Gans verenden, muss sie auf Kosten des Besitzers virologisch untersucht werden.“ Er begründet die Entscheidung des Veterinäramts damit, dass der Gänsebestand von Rolf Wais in den kommenden Wochen geschlachtet wird. „Vor Weihnachten fällt er ohnehin auf Null.“ Zum anderen hätte eine Stallungspflicht für viele Gänse das vorzeitige Ende bedeutet. „Da wären viele gestorben, weil sie die Enge nicht vertragen hätten“, sagt Mayle.

Öffentliche Aufregung

Rolf Wais akzeptiert die Bedingungen des Veterinäramts, auch wenn sie für ihn Kosten verursachen werden. „Ich finde es beruhigend, wenn wir nachprüfen, ob alles in Ordnung ist“, sagt der Gänsewirt. Noch in der vergangenen Woche hat Wais dieser Zeitung erklärt, dass sich niemand in der nahen Umgebung Sorgen wegen des Virus machen müsse. Das hat sich nun offenbar geändert. Allerdings sei es immer noch nicht die Krankheit, die ihn nervös mache. „Mich stören die öffentliche Aufregung und die vielen Falschmeldungen. Sie machen die Leute verrückt. Deshalb sind solche Untersuchungen richtig“, sagt der Gänsewirt. Auch einige Kunden hätten sich bei ihm bereits gemeldet. „Sie haben in der vergangenen Woche nachgefragt, warum unsere Gänse noch auf dem Feld sind. Dabei gilt die Stallungspflicht erst nach der Veröffentlichung im Amtsblatt. Da stand die Stallungspflicht aber erst diese Woche“, sagt Rolf Wais.

Trotz des Trubels erwartet Wais ein gutes Geschäft mit seinen Gänsen. Von Zurückhaltung bei den Kunden spüre er nichts. „Es ist eher so, dass manche jetzt erst recht auf regionale Produkte setzen, weil sie keine Gans aus Bayern mehr haben möchten“, sagt der Degerlocher Gänsewirt.

Die Autofahrer auf der Epplestraße werden also auch künftig an einem Feld voller Gänse vorbeifahren – bis kurz vor den Feiertagen im Dezember. Dann geht das Leben der Weihnachtgänse ganz ohne Virusinfektion zu Ende.