Die Galapagos-Inseln brauchen Tourismus. Doch zu viel sollte es nicht werden. Sonst wird das sensible Ökosystem überlastet. Zudem steigt das Risiko, dass neue Arten eingeschleppt werden, die den angestammten Tieren und Pflanzen schaden.

Galapagos - Der Seelöwe beobachtet auf dem Fischmarkt von Puerto Ayora auf den Galapagos-Inseln genau, wie der Fang zerlegt wird. Um ja keinen Leckerbissen zu verpassen, steht er auf den Hinterflossen und stützt sich mit den vorderen auf den Verkaufstisch. Ab und zu bekommt er einen Happen – meist von den Teilen, die sich schlecht verkaufen lassen. Ist auf dem Markt mal weniger los, robbt der Seelöwe auf den kleinen Platz gleich nebenan, auf dem sein Nachwuchs bisher vor sich hin gedöst hat. Schließlich soll das Kleine viel Muttermilch bekommen, damit es groß und stark wird. Halten Touristen den Seelöwen Smartphones und Spiegelreflexkameras vor die Barthaare, stört die Tiere das kaum. Sie haben sich längst an die Menschen gewöhnt.

 

Galapagos ist nicht nur ein Paradies für Seelöwen, sondern auch für Naturliebhaber. In diesem Paradies entdeckte ich bei meinem letzten Besuch aber auch einige Schattenseiten. Zwar scheinen Mensch und Natur hervorragend miteinander auszukommen, nicht nur auf dem Fischmarkt von Puerto Ayora. Mehr noch, die Galapagos-Inseln brauchen den Tourismus, um ihr einzigartiges Ökosystem wirksam vor Plünderern schützen zu können. Doch das gilt nur innerhalb bestimmter Grenzen. „Es sollten nicht zu viele Menschen auf die Inseln reisen, weil sie dann der Natur doch wieder Probleme bereiten“, mahnt etwa die Zoologin Paquita Hoeck, die die Geschäfte des Vereins „Freunde der Galapagos Inseln (Schweiz)“ führt. Und sie hat recht.

Tourismus als tragende Säule

Leider läuft der Trend in die entgegengesetzte Richtung. Fast 225 000 Menschen kamen 2015 auf den Flughäfen der Galapagos-Inseln an, elf Jahre vorher waren es nur halb so viele. Viele wollen eine Tierwelt erleben, die oft wenig Scheu vor Menschen hat. Mit dem Tourismus verdienen die meisten Inselbewohner gutes Geld, längst hat die Reisebranche die Fischerei als tragende Säule der Wirtschaft abgelöst. Und die Entwicklung soll weitergehen: „Die Regierung bietet den Fischern Prämien an, wenn sie ihren Beruf an den Nagel hängen und in den Tourismus einsteigen“, erzählt einer der Naturführer.

Nur habe ich erhebliche Zweifel, ob mehr Tourismus dem Naturparadies guttut. Schließlich birgt der Tourismus auch viele Risiken für die Natur. Reisende und die Frachtschiffe, die sie mit allem Lebensnotwendigen versorgen, können fremde Organismen einschleppen. Um diese Gefahr in den Griff zu bekommen, zieht die Regierung Ecuadors scharfe Grenzen für die boomende Branche: Maximal 88 Schiffe mit zusammen 1850 Gästebetten dürfen zwischen den Inseln kreuzen. Dazu kommen höchstens 3250 weitere Touristenbetten an Land. Auch der Flugverkehr ist beschränkt, mehr als tausend Passagiere dürfen an einem Tag nicht ankommen.

Hinzu kommen die hohen Preise für Kreuzfahrten zwischen den Inseln, die für viele eine Reise unerschwinglich machen. Um die von Insel zu Insel oft sehr unterschiedliche Natur kennenzulernen, sollte man mindestens eine, besser zwei Wochen dort sein. Das geht allerdings ins Geld – und prompt kommen in manchen Zeiten deutlich weniger Touristen als erhofft. Um ihre Schiffe trotzdem voll zu bekommen, bieten die Reeder billigere Halbwochentouren an. Und Hotels werben um Wochenend- und Kurzurlauber, die in Tagesausflügen auf die benachbarten Inseln gefahren werden.

Die Besucher bleiben immer kürzer

Und da fängt das Problem an: Durch die Kurzaufenthalte kommen deutlich mehr Menschen auf den Inseln an – und es kommen andere Menschen. Als ich 1989 zum ersten Mal auf einer einwöchigen Kreuzfahrt zwischen den Galapagos-Inseln unterwegs war, blieben praktisch alle Passagiere die ganze Zeit an Bord. Bei meiner zweiten Reise Ende 2016 verlassen dagegen 22 von 26 Passagieren das Schiff bereits nach einer halben Woche. Wer – wie wir – elf Tage mitfährt, wird fast schon als Exot bestaunt.

Als ich 1989 zur Tortuga-Bucht in der Nähe des Hauptortes Puerto Ayora wanderte, sah ich keinen einzigen Menschen am Strand, stattdessen wimmelte es bereits auf den ersten Metern von Meerechsen. An ihrer Stelle tummeln sich 2016 Surfer in den Wellen und am Strand pilgern Touristenscharen zu einer Badebucht weiter hinten. Allzuviel Interesse an der Natur scheint keine dieser Gruppen zu haben.

Es kommen also mehr Touristen, sie bleiben kürzer und verwechseln schon einmal das Naturerlebnis Galapagos mit einem Ausflug in die Scheinwelt von Disneyland. Das aber bringt die Natur in die Bredouille: Tagesausflügler lassen sich schlechter kontrollieren und neigen eher dazu, die strengen Besucherregeln zu missachten. Wichtiger noch: Ersetzen Kurzreisen und Wochenendtrips längere Aufenthalte, kommen insgesamt mehr Menschen auf den Inseln an. Dadurch wächst nicht nur die Umweltbelastung und die Gefahr von Ölunfällen, sondern auch das Risiko, dass neue Arten eingeschleppt werden.

Eine eingeschleppte Fliege schadet den Finken

Längst hat die Regierung Konsequenzen gezogen: Vor der Einreise müssen Wissenschaftler drei Tage in Quarantäne, um ja keine Parasiten oder Samen einzuschleppen. Touristen kann man eine solche Prozedur kaum zumuten. Man muss zwar unterschreiben, keine Pflanzen, Samen oder unverarbeitete Lebensmittel im Gepäck zu haben, eine scharfe Kontrolle aber ist bei tausend Ankünften am Tag kaum möglich. Und so wächst das Risiko weiterer eingeschleppter Samen oder Parasiten, die auf den Inseln Fuß fassen und die Natur aus dem Gleichgewicht bringen können. In den letzten Jahren hat zum Beispiel eine winzige, eingeschleppte Fliege beinahe die Mangroven-Finken ausgerottet, weil die Fliegenlarven die schutzlosen Küken bei lebendigem Leib auffressen.

Was daraus folgt? Galapagos braucht den Tourismus. Die Inseln brauchen aber weder Surfer, noch Strandurlauber, Golfer oder Tennisspieler und schon gar keine Besucher, die ihren Kick beim Bungee-Jumping oder Paragliding suchen. Für sie gibt es genug andere Reiseziele. Die Galapagos-Inseln sind einmalig und können nur dann ein Testlabor der Evolution und ein Naturparadies bleiben, wenn die richtigen Reisenden kommen, die sich weniger für eine „exklusive Destination“, sondern mehr für die Natur interessieren.

Der Autor und die Insel

Geografie
Die Galapagos-Inseln gehören zu Ecuador und liegen 1000 Kilometer vor der Pazifikküste des südamerikanischen Landes direkt am Äquator. 1835 fand Charles Darwin dort die wichtigsten Anstöße für seine Evolutionstheorie, weil er auf den jungen Vulkaninseln die Weiterentwicklung neu angekommenen Lebens fast live beobachten konnte.

Probleme Schon immer bedrohen Gefahren das Naturparadies. Piraten und Walfänger dezimierten die Bestände der Riesenschildkröten, die sie als lebenden Proviant an Bord nahmen. Fischer plünderten die üppige Unterwasserwelt. Und immer wieder erreichen Pflanzen und Tiere das Archipel, die das Ökosystem massiv verändern können: Ziegen fressen den Schildkröten das Futter weg, Ratten erbeuten Eier von Reptilien und Vögeln, Brombeeren überwuchern die Bruthöhlen der Sturmvögel.

Naturschutz Seit 1959 sind mehr als 97 Prozent der Inseln Nationalpark und längst auch Weltnaturerbe. Naturtouristen schauen dort aus wenigen Metern Abstand balzenden Fregattvögeln mit ihrem riesigen, knallroten Kehlsack in die Augen, schießen Bilder von Albatrossen bei ihrem Hochzeitstanz und beobachten skurrile Echsen, die Algen unter Wasser abweiden oder die stachligen Triebe von Opuntien kauen.