Alle großen Städte in Deutschland haben längst einen Rundgang für Kunstsinnige. Stuttgart hinkte bisher hinter her. Das soll sich ändern.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

S-West - Alle großen Städte in Deutschland haben längst einen: München, Berlin oder Frankfurt. Stuttgart hinkte bisher hinter her. Doch einige Stuttgarter Galeriebesitzer haben sich zusammen getan und einen eigenen Rundgang ins Leben gerufen. Die Galerie Linie West. Das Besondere daran: Alle vier teilnehmenden Galerien sind fußläufig zu erreichen. Bisher gebe es nur einmal im Jahr einen großen Rundgang in der ganzen Stadt, die „Art Alarm“. Dabei sind die Stationen aber nur mit Bussen zu erreichen. In Stuttgart sei die Szene so dezentral, da funktioniere ein Rundgang zu Fuß nur mit ein paar wenigen Einrichtungen, erklärt Sandro Angelo Parrotta, Besitzer der Galerie Parrotta Contemporary Art in der Augustenstraße. „Die Linie West ist deshalb eine ganze neue Situation hier in Stuttgart“, so Parrotta. Inzwischen war es schon die siebte Veranstaltung dieser Art am vergangenen Dienstag, die erste Veranstaltung fand im vergangenen Jahr statt.

 

Um seinen Gästen etwas zu bieten, hat Parrotta den Rundgang mit einer Vernissage verbunden. Der Künstler Benjamin Badock zeigt seinen druckgrafischen Baukasten unter dem Namen „Sayes“. Der Leipziger greift in seinen Bilderfindungen sowohl auf die Kunstgeschichte als auch auf „spitzbübische Beobachtungen des Alltags“ zurück, eine Mischung aus Abstraktion und Realismus. „Ich war schon in der ersten Ausstellung bei Parrotta dabei“, erzählt der Künstler.

Die Idee zu dem Galerierundgang hatten Parrotta und Axel Wieder, der frühere Leiter des Künstlerhauses in der Reuchlinstraße. Da die Galerie von Klaus Gerrit Friese vor einigen Jahren von Möhringen in den Westen zog, lohnt sich der Rundgang jetzt noch mehr. Als vierte im Bunde nimmt die Galerie Reinhard Hauff teil. Drei Stunden lang haben die Galerien an dem Abend geöffnet. Rund vierzig Leute tummlen sich in der Zeit in den Galerien. Nach der Eröffnung schauen sich die Besucher in Ruhe allein in der Galerie um, unterhalten sich und tauschen sich aus. Das Künstlerhaus hat zusätzlich einen geführten Rundgang angeboten: „Wir hatten letzte Woche erst eine große Eröffnung, so dass heute viele Besucher kamen, die sonst nicht bei uns sind“, sagt der künstlerische Leiter Adnan Yildiz.

„Das Publikum ist mir noch zu gastfreundlich“

Auch Klaus Gerrit Friese hat die Ausstellungseröffnung des Künstlers Thomas Grünfeld in seiner Galerie in der Rotebühlstraße mit dem Rundgang zusammengelegt. „Ich wollte damit mal weg von der klassischen Vernissage“, erklärt er seinen Entschluss. Um die 150 Besucher haben seine Ausstellung aufgesucht. Viele sind dabei, die sonst eher nicht zu seinen Kunden gehören. Aber genau das findet der Galeriebesitzer gut: „Der Rundgang hat etwas flaneurhaftes. Das gefällt mir“, sagt er.

Die „offene Galerie“, wie er die Initiative nennt, verleite die Leute dazu, einfach wegen der Bilder zu kommen. Es gehe nicht mehr nur darum, welche Preise in welcher Galerie herrschen.

Inzwischen scheint sich der Rundgang zu etablieren. Parrotta wünscht sich für die Zukunft, dass die Kunstinteressierten noch mehr zwischen den Galerien wandern. „Das Publikum ist mir noch zu gastfreundlich“, erklärt Parrotta. Sie gehen in eine Galerie und bleiben.

Die Kunststudentinnen Heidi und Caro sehen dies jedoch anders. Sie wollen sich alle vier Galerien anschauen. Caro ist dafür sogar aus Karlsruhe gekommen: „Ich finde das eine Superidee, dass ich mir an einem Abend mehrere Ausstellungen anschauen kann.“ Die Galerie Linie West ist aber nicht mehr der einzige Rundgang dieser Art in Stuttgart. Auch die Kunstszene in Stuttgart-Mitte hat im April den „Galerienrundgang Mitte“ veranstaltet.