Der Fotokünstler Götz Wintterlin stellt seine Bilder in seiner Galerie an der Brennerstraße in S-Mitte aus. Aufgenommen hat er Tiere – und nicht alle davon sind süß . . .

S-Mitte -

 

Fans rührseliger Tierdokus werden eher enttäuscht sein. Das steht auf der Einladung. Und dann das: zwei Hundewelpen, die sich eng aneinander kuscheln – einfach süß. „Ja, süß, nicht?“, sagt auch Götz Wintterlin und lächelt. Er ist der Fotograf. Süß, das ist das Attribut, das die Leute am häufigsten mit Tierfotografie in Verbindung bringen, erklärt er mir. Aber Tiere können nicht nur süß, sondern auch salzig, sauer, seltsam, schwierig oder scheu dargestellt werden. „Süß, das ist eben die Emotion, die die Leute als erstes anspringt“, erklärt Wintterlin.

Seine neue Ausstellung soll aber die ganze Bandbreite zeigen, die die Tierfotografie anspricht – ohne dabei zu dokumentarisch oder verklärend zu sein. „Viecher“ heißt sie. Zu einem großformatigen Druck an der Wand, auf dem eine Ameisenkolonie zu sehen ist, die einen Regenwurm zerfleischt, passt dieser Titel ganz gewiss. An der gegenüberliegenden Wand watscheln Enten in einer Serie quadratischer Drucke über einen zugefrorenen, schwarz-schlierigen, düsteren Bärensee, der an eine japanische Tuschezeichnung erinnert.

Irgendwie beklemmend

Zugegeben, auch das Bild mit den süßen Hundebabys ist eigentlich nicht süß, oder zumindest nicht nur. Die Welpen liegen in den Händen eines verwahrlost aussehenden Mannes, der mit überkreuzten Beinen auf der Straße sitzt und unsicher unter seiner Kapuze hervorlugt. Irgendwie beklemmend. „Eine Wettbewerbsarbeit war das“, erklärt der Fotograf. Ein Schnappschuss. So wie fast alle Fotografien der Ausstellung Schnappschüsse sind oder besser gesagt: spontane Kunstwerke. Geplant ist keines der Bilder. „Das kann ich einfach nicht“, sagt Wintterlin. „Mit der Kamera losziehen und sagen, so, heute fotografiere ich mal dies und jenes – das geht nicht, ich muss mich in die Situation einfinden und das am besten spontan.“

Deshalb gibt es keine Geschichten, vom stundenlangen Verharren in der Eiseskälte, bis die Ente, die auf dem dünn zugefrorenen Bärensee umher watschelt, ihren Kopf endlich in den passenden Winkel gedreht hat. Das Bild ist so, wie es ist, nicht geplant, spontan eben. Aber nachbearbeitet. „Für viele Fotografen ist ein Bild nur etwas wert, wenn es unbearbeitet seine Wirkung erzielt und das finde ich den allergrößten Quatsch“, sagt Wintterlin. „Das Foto allein ist doch schon eine Bearbeitung der Realität, warum dann nicht noch mit den Farben oder der Belichtung spielen?“

Schon als Kind fotografiert

Götz Wintterlin hat schon immer fotografiert. Schon als Kind war der heute 70-Jährige mit einem Fotoapparat unterwegs. Zur Berufung vielleicht, aber zum Beruf ist ihm die Fotografie nie geworden. „Meine Motive sind wahrscheinlich zu abstrakt, um davon leben zu können – oder würden Sie sich gerne den zerfleischten Regenwurm ins Wohnzimmer hängen?“, sagt Wintterlin grinsend. Architektur hat er studiert, hier in Stuttgart. Als Architekt gearbeitet hat er nie. Lange Zeit ist er in Freiburg gewesen, hat dort auch 1991 angefangen, seine Fotografien auszustellen und zu verkaufen. Vor vier Jahren ist Götz Wintterlin dann in die Landeshauptstadt zurückgekehrt und hat die „Galerie Pixxl” im Bohnenviertel eröffnet, in der er hauptsächlich seine Eigenwerke ausstellt – ganz ohne Vermarktungsstrategien oder Partnergalerien, die seine Kunst vertreten. „Diese Unabhängigkeit ist für die Kreativität unheimlich positiv“, sagt Wintterlin. „Für den Geldbeutel eher nicht.“

Die Galerie ist gleichzeitig auch sein Atelier. „Dahinten steht mein kleiner Drucker“, sagt er und deutet auf ein riesiges Monstrum von Kopiergerät, das in einer Ecke steht. Alle Grußkarten, Großdrucke und Fotografien, die Wintterlin ausstellt und verkauft, sind selbst fotografiert, selbst gedruckt. Handarbeit von vorn bis hinten.

Dass Wintterlin nach Stuttgart zurückgekommen ist war kein Zufall, die Stadt ist für ihn etwas ganz besonderes. „Es gibt hier Plätze mit solch enormer Ausstrahlung wie nirgendwo sonst“, sagt Wintterlin.