Seit 33 Jahren ist er im Untergeschoss des Atelierhauses Filderstraße 34: der Kunstraum 34. Zum dritten Mal stellt dort nun die Stuttgarter Künstlerin Christine Gläser aus. Ein Gespräch über die Möglichkeiten von Bild und Raum.

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Seit 33 Jahren ist er im Untergeschoss des Atelierhauses Filderstraße 34: der Kunstraum 34. Zum dritten Mal stellt dort nun die Stuttgarter Künstlerin Christine Gläser aus. Ein Gespräch über die Möglichkeiten von Bild und Raum.
Frau Gläser, Sie haben schon mehrfach im Kunstraum ausgestellt. Was bedeutet diese Institution für Sie?
Der Kunstraum Filderstraße ist eine lebendige, wichtige Adresse für Kunst und Kultur im Stuttgarter Süden – aber auch für ganz Stuttgart. Nicht nur Künstlerinnen und Künstler aus Baden-Württemberg, etablierte wie junge, werden gezeigt, sondern auch aus ganz Deutschland. Das Spannende: Die Finissage wird von jungen Musikern mit zeitgenössischer Musik gestaltet. Der Kunstraum ist auch immer wieder Klangraum mit Konzerten und Performances.
Die Räume sind indes anders als die üblichen White Cubes mit glatten weißen abgezirkelten Wänden. Sie sind im Untergeschoss, künstlich beleuchtet – eine Herausforderung für die Kunst?
Genau dieses ungewöhnliche Raumgefühl ist äußerst reizvoll! Zwei Kellerräume mit Tonnengewölben, verbunden mit einem Durchgang – Dualität, gepaart mit einer gewissen Rustikalität ermöglichen außergewöhnliche Präsentationen, an die man anders herangehen muss.
Heißt deshalb Ihre Ausstellung „Volle Sicht“?
Ein Wortspiel, das gut zu den verschachtelten Räumen passt. Der Titel spiegelt auch Dynamik und Schwung der starken Farbigkeit meiner Bilder. Sie entstehen im Prozess – und der ist ablesbar. Ich arbeite intuitiv im Dialog mit dem Bild, reagiere auf das Entstehende. Mir geht es um Kontraste: warm und kalt, dominante und zurückhaltende Formen, Abstraktion und Gegenständlichkeit, konkav und konvex, laut und leise.
Wie lange arbeiten Sie an einem Werk?
Das kann durchaus zwei Wochen oder länger dauern.
Ihre Werke muten wie ein Suchspiel an. Immer wieder meint man, Dinge zu erkennen, um Sie dann doch wieder zu verwerfen.
Es geht um neue Perspektiven, darum die Augen aufzuwecken. Kunst soll Quelle des Weiterdenkens sein. Auch Titel wie „Vielfalt“ oder „To“ dienen nur als Anfangspunkt, sie legen nichts fest. Titel sollten möglichst kurz sein – eben Assoziationsgeber. Für mich ist ein Bild reich, wenn man es lange betrachten kann, immer wieder neue Bezüge entdeckt, die man vorher nicht sah.
Die Welt als Inspirationsquelle?
Ja! Ich will keine Sache oder ein Ereignis darstellen. Vieles inspiriert mich – alles, was mir begegnet. Dazu gehört Reales und Virtuelles, Ideen oder Konzepte.
Die Bandbreite ihre Palette ist groß. Was bedeuten Farben für Sie?
Sie sind etwas Existenzielles, sprechen die Emotionen an. Durch die Eitempera, mit der ich meine Pigmente selbst anrühre, bekommt die Farbe etwas Haptisches, Spürbares. Mich faszinieren deren verschiedenen Aggregatzustände, fließende, dünn aufgetragene Farbe, die das Darunterliegende durchscheinen lässt, neben deckender Farbe, mit fast trockenem Pinsel in breitem Zug aufgetragen, so dass eine strukturierte Oberfläche entsteht.
Ihre schwarz-weißen Collagen, die sie hier erstmals zeigen, gehen wirklich ins Dreidimensionale ...
Ich wollte die Formenwelt der Malerei in ein anderes Medium transformieren. Die Reliefs bestehen aus Papier und Kunststoff. Und während ich in der Malerei mit Pinsel und Farbe imaginäre Räume schaffe, gehe ich nun in den Raum hinein. Bei der Malerei füge ich hinzu, da kann ich mit dem Pinsel korrigieren. Hier nehme ich etwas weg, kann nicht mehr reparieren, wenn etwas schief geht. Diese Radikalität macht mir unglaublichen Spaß.