An diesem Dienstag startet auf Vox „Game of Chefs“, ein kulinarischer Wettkampf um das größte deutsche Küchentalent. Doch was ist eigentliche so spannend daran, anderen Leuten beim Zubereiten von Speisen zuzuschauen?

Stuttgart - Man muss schon ein bisschen älter sein, um sich an Clemens Wilmenrod zu erinnern. Die kulinarischen Meriten des Fernsehkochs umfassen unter anderem den Toast Hawaii, das Arabische Reiterfleisch und die Gefüllte Erdbeere. Ungleich größer sind jedoch die Spuren, die der gelernte Schauspieler als Moderator hinterlassen hat. Laut Legende hat Wilmenrod einst die Kochshow erfunden, als ihm in den frühen Fünfzigern angesichts der Nahaufnahmen in einem TV-Tierfilm durch den Kopf ging, dass die Zubereitung eines schmackhaften Gerichts womöglich noch spannender sein könnte. „Clemens Wilmenrod bittet zu Tisch“ hieß die Reihe, die der Nordwestdeutsche Rundfunk als Vorläufer der ARD ab 1953 elf Jahre lang zeigte. Seither vergeht gerade in den dritten Programmen kein Tag ohne Kochsendung. Menschen wie Sarah Wiener, Johann Lafer, Horst Lichter oder Tim Mälzer sind auf diese Weise ähnlich berühmt geworden wie weiland Wilmenrod.

 

Kein Sender frönt dem Kochen jedoch so sehr wie Vox; ab diesem Dienstag sucht der Privatsender in der als „kulinarischer Wettkampf des Jahres“ angekündigten Sendung „Game of Chefs“ das größte deutsche Kochtalent. Während die Show dank des Wettstreits einen gewissen sportlichen Reiz hat, haben die meisten anderen Kochsendungen nicht viel mehr zu bieten als Menschen, die eine Mahlzeit zubereiten und dabei vor allem viel reden. Aber was ist daran so spannend?

Kochen wird immer mehr zum sozialen Event

Um die Frage zu beantworten, muss der Medienwissenschaftler Gerd Hallenberger, ein Spezialist für Fernsehunterhaltung, ein wenig ausholen. Die Geschichte der Kochsendungen bestehe im Wesentlichen aus drei Etappen: „In den frühen Fünfzigerjahren stand angesichts des Nahrungsmangels die Frage im Vordergrund, wie man aus den wenigen Lebensmitteln, die es zu kaufen gibt, dennoch schmackhafte Mahlzeiten zubereitet. Im Wohlstandsjahrzehnt der Siebziger stand kalorienbewusstes Kochen im Vordergrund, die Rezepte wurden origineller, aber in den Fernsehsendungen ging es immer noch in erster Linie um die Zubereitung von Gerichten.“ Im Zeitalter des Single-Haushalts und der Mikrowelle sei Kochen jedoch vor allem Mittel zum Zweck und werde „vor allem als sozialer Event mit der Familie oder mit Freunden betrachtet. Die Nahrungsaufnahme, eigentlich ja das Ziel jedes Kochens, ist quasi nur noch ein willkommener Nebeneffekt.“

Das spiegelt sich in den Sendungen wider: Kochen wird von der Talkshow bis zur Spielshow mit allen möglichen TV-Genres kombiniert. „Das perfekte Dinner“ (Vox) zum Beispiel ist Essen in einer Spielshow-Inszenierung. Kochshows, erklärt Hallenberger, „sind das Ergebnis eines klassischen und vertrauten Ausdifferenzierungsprozesses von Genres.“ Das Drumherum ist häufig viel wichtiger als das Kochen selbst. Der Pionier des Kochgesprächs war Alfred Biolek. Die Gerichte, die er in „alfredissimo!“ (ARD, 1994 bis 2006) gemeinsam mit einem prominenten Gast zubereitete, waren vergleichsweise einfach, damit das Kochen nicht zu sehr vom Plaudern ablenkte; oder umgekehrt.

Mit den Lebensstilen ändert sich das Genre

„Das perfekte Dinner“ (montags bis freitags um 19 Uhr) findet dagegen als Format auf drei Ebenen statt: Während sich der Gastgeber in der Küche abmüht, nehmen die Gäste seine Wohnung in Augenschein; zum Schluss wird dann das Gericht bewertet. Kochsendungen wie diese bilden die Wirklichkeit nur selten maßstabsgetreu ab, denn das Essen selbst dauert meist am kürzesten. Das gilt auch für viele Formate in den dritten Programmen, etwa „Lichters Schnitzeljagd“ (WDR, freitags, 21 Uhr). Das Kochformat macht seinem Titel alle Ehre, denn bevor Horst Lichter gemeinsam mit seinen wechselnden Kochpartnern das Essen zubereitet, müssen die Zutaten eingekauft werden; bei der Gelegenheit lassen sich auch Land und Leute vorstellen. Hallenberger bezeichnet dies als Kontextualisierung: „Das Fernsehen macht vor, wie man die gemeinsame Zubereitung einer Mahlzeit als soziales Ereignis inszeniert, als Freizeit-Event, und darin liegt das zentrale Motiv für die Beliebtheit dieses Genres. Das spiegelt sich mit der Öffnung der Küchen und ihrem fließenden Übergang zum Wohnbereich auch in der Innenarchitektur wider. Tatsächlich gibt es nur wenige Fernsehformate, die derart unmittelbar an die Veränderungen von Lebensstilen andocken.“

Einigermaßen absurd aber ist es, sich mit einem in der Mikrowelle erhitzten Fertiggericht vor den Fernseher zu setzen, um anderen dabei zuzuschauen, wie sie großen Spaß beim Genießen kulinarischer Köstlichkeiten haben. Davon abgesehen unterliegt Kochen mittlerweile der gleichen Dynamik wie Mode und Popkultur: Die Vorlieben und Stile sind in einem steten Fluss. Deshalb ist das Genre im Fernsehen im Gegensatz zu vielen anderen TV-Trends auch noch nicht zu Tode gekocht worden.