In der Gamedesign-Firma Sixteen Tons in Tübingen werden Computerspiele entwickelt. Bevor sie auf den Markt kommen, müssen sie durch den "Kinder-Test".

Leben: Ricarda Stiller (rst)

Tübingen - Für sein erstes Computerspiel hat er sofort 10.000 D-Mark bekommen. Als es von der Firma Kingsoft veröffentlicht und kommerziell vermarktet wurde, war Ralph Stock gerade mal 15 Jahre alt und ging noch zur Schule. In den 80er Jahren gab es längst noch nicht in jedem Haushalt einen Computer. Ralph Stock zählt sich selbst zur C-64-Generation. Der C64 von Commodore war einer der ersten Heimcomputer überhaupt - mit 64 Kilobyte Arbeitsspeicher. Bis heute gilt er als der meistverkaufte Computer weltweit. Wobei die Zahlen der verkauften Exemplare je nach Quelle und Schätzung zwischen 12 und 30 Millionen liegen.

 

Auch wenn sich die Zahlen so anhören, als hätten damals schon sehr viele Menschen einen Computer zu Hause gehabt, war es nicht so. Es war die Zeit, in der ein paar Teenager - fast immer waren es Jungs - nach der Schule hinter grauen Türen verschwanden, um in der Informatik-AG seltsame Dinge zu programmieren. Der große Rest der Welt verstand nichts davon und hatte auch nicht das Gefühl, irgendetwas zu verpassen. Schaut man sich den Lebenslauf von Ralph Stock an, wird klar, wie früh er mit seinen Spielen dran war.

Im Jahr 1988 machte er zwar brav sein Abitur, aber schon kurz darauf begann er, seine heute erfolgreiche Computerspielfirma Sixteen Tons in Tübingen zu gründen. Die Firma Kingsoft, die seine ersten Computerspiele gekauft und vertrieben hat, wurde später von Electronic Arts übernommen - einer der größten und erfolgreichsten Firmen in der Computer- und Videospielbranche überhaupt.

Kinder helfen bei der Entwicklung der Computerspiele

Auch wenn die Firma von Ralph Stock nur etwa 20 fest angestellte Mitarbeiter hat, sind in Tübingen direkt am Neckar schon so bekannte Spiele wie "Emergency" entstanden. An einem so großen Projekt arbeiten dann 80 bis 90 Personen über zwei Jahre intensiv - die meisten als freie Mitarbeiter. Das Budget dafür liegt im siebenstelligen Bereich. Bei der Produktion von "Emergency" wird die Arbeit zu etwa gleichen Teilen auf den zweiten Firmensitz in Potsdam aufgeteilt. Die Firma Quadriga Games gibt es dort seit 2009 und gehört ebenfalls zu Ralph Stocks kleinem Imperium, das unter dem Namen Promotion Software auch Dienstleistungen im Bereich interaktive Medien anbietet.

Bei der heutigen Kinder-Uni-Vorlesung geht es um die Frage, warum Computerspielen so viel Spaß macht. Weil diese Frage nicht immer von 30- oder 40-Jährigen beantwortet werden kann, holt sich Stock während der Entwicklung eines Computerspiels immer wieder Kinder und Jugendliche aus der Zielgruppe für das künftige Spiel in die Firma und lässt sie die Spiele testen. Es sei schon vorgekommen, dass er und seine Mitarbeiter eine Idee richtig gut fanden, die Kinder sich aber langweilten. Dann wird umgedacht und anders weitergearbeitet.

Für das Spiel "Willi will's wissen - Bei den Wikingern" hat die Tübinger Firma zahlreiche Auszeichnungen erhalten. Zuerst bekam sie den begehrten deutschen Kindersoftware-Preis Tommy, und danach noch den Serious Games Award in Gold. Außerdem ist das Spiel mit dem Gütesiegel für pädagogisch wertvolle Spiele geadelt worden. Doch auch ohne diese Auszeichnungen ist der Geschäftsführer Ralph Stock davon überzeugt, dass sich nur die allerwenigsten Computerspiele negativ auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen auswirken würden.

Gamedesign ist enorm arbeitsaufwendig

Es nervt ihn, dass Computerspiele immer noch verteufelt werden. Man denke nur daran, dass so manches Spiel schon als Ursache für schlimme Verbrechen genannt wurde. Dabei seien Computerspiele eine wichtige kulturelle Ausdrucksform unserer Zeit, sagt Stock. Er ist davon überzeugt, dass es auch für die Allerkleinsten gute Spiele gibt: "Schon Einjährige können auf dem iPad spielen. Das ist wie ein Buch, das Geräusche macht und in dem sich etwas bewegt."

Doch nun lassen wir uns am Beispiel von Willi bei den Wikingern einmal erklären, wie ein Spiel entsteht: Ganz am Anfang wird ein Konzept geschrieben. Das können schon bis zu 50 DIN-A4- Seiten sein. Danach entscheidet man sich für eine bestimmte Plattform. Schließlich macht es einen großen Unterschied, ob ein Spiel auf dem PC oder auf dem Nintendo gespielt wird.

Nun geht es in die konkrete Planung. Der Projektleiter ist von Anfang bis zum Ende dabei und behält den Überblick. Für die Umsetzung braucht man dann Gamedesigner, Grafiker, Programmierer und Soundtechniker für Musik und Sprache. Alles wird während der Entwicklung durch Tests begleitet. Am Ende steht das Finetuning. Denn in jedem Spiel stecken, bevor es veröffentlicht wird, noch irgendwelche Fehler. Diese müssen gefunden und behoben werden.

Je nach Größe und Spieldauer eines Computerspieles vergehen zwischen dem Konzept und dem fertigen Spiel ein paar Monate oder auch bis zu zwei Jahre (etwa bei "Emergency"). Die immer beliebter werdenden Browserspiele sind schneller fertig. Sie sind aber auch längst nicht so umfangreich. Möchte man zum Beispiel "Willi will's wissen - Bei den Wikingern" ganz zu Ende spielen und plant für jede Sitzung 15 bis 20 Minuten ein, hat man ungefähr einen Monat Spielspaß bei täglichem Spiel. Bei großen Spielen, die dann eher für Spieler ab 12 Jahren sind, kann man über Wochen bis Monate spielen.