Hohe Garantien für alte Lebensversicherungsverträge: Unternehmen sind immer häufiger noch auf andere Ertragsquellen als die Kapitalanlagen angewiesen. Kunden sollten nicht vorschnell reagieren.

Stuttgart Die Niedrigzinsen erschweren zusehends die Lage deutscher Lebensversicherer. Bei 30 von 84 Lebensversicherern reichen die 2016 erwirtschafteten Erträge aus der Kapitalanlage nicht, um die Garantieverpflichtungen zu erfüllen und die gesetzliche vorgeschriebene Reserve zu bedienen. Zu dieser Einschätzung kommt eine Untersuchung des größten deutschen Policenaufkäufers Policen Direkt. Die Situation habe sich gegenüber dem Vorjahr verschlechtert. Da reichten die erwirtschafteten Erträge aus der Kapitalanlage bei 20 Gesellschaften nicht aus. Um die Garantieverpflichtungen zu erfüllen und die Reserve aufzufüllen müssten sich Versicherer aus anderen Ertragsquellen wie den Verwaltungskosten und Risikogewinnen bedienen. „Unsere Analyse zeigt, dass die Belastung der Lebensversicherer stark zunimmt“, sagt Henning Kühl, Chefaktuar von Policen Direkt.

 

Auch die Kölner Ratingagentur Assekurata sieht die Ertragslage der Versicherer aufgrund rückläufiger Kapitalerträge und den hohen Anforderungen der Zinszusatzreserve vor einer großen Belastungsprobe. Der Ertragspuffer schmelze. Ergebnisquellen jenseits der Kapitalanlagen rücken in den Vordergrund, heißt es in einer Mitteilung der Ratingagentur.

Jeder Zehnte kündigt seine Lebensversicherung vorzeitig

Meldungen wonach Versicherungsbestände verkauft würden, verunsichern Kunden. Angesichts der Entwicklung würden viele Kunden eine Kündigung ihrer Verträge in Betracht ziehen, beobachtet Policen Direkt. Nach Ansicht des Verbraucherportals Finanztip verschenken dabei die meisten Kunden viel Geld. Nur in manchen Fällen sei ein Verkauf tatsächlich der beste Ausweg. Oft lohnten sich Alternativen wie den Verkauf der Police, den Vertrag beitragsfrei zu stellen oder etwa die Verkürzung der Laufzeit.

Etwa jeder zehnte Versicherte kündigt seine Kapitallebensversicherung vorzeitig, so Finanztip. Allein im Jahr 2015 haben Bundesbürger demnach Verträge im Wert von mehr als 13 Milliarden Euro abgebrochen.