Im Streit um Gaslieferungen und Gastransit nähern sich Moskau, Kiew und die EU aneinander an. Die Ukraine soll einen Teil ihrer Schulden sofort bezahlen. Dafür soll später das Gas etwas günstiger geliefert werden.

Moskau - Zu einem „Endergebnis“ sei man noch nicht gelangt. Wohl aber habe man gewisse Handelsfortschritte erzielt. Das sagte EU-Energiekommissar Günter Oettinger nach Abschluss seiner Gespräche mit Russlands Energieminister Alexander Nowak und Gaspromchef Alexei Miller am Freitag in Moskau. Mit einer endgültigen Übereinkunft hatte angesichts der jüngsten Eskalation der Ukraine-Krise, für die Oettinger kritische Worte fand, kaum jemand gerechnet.

 

Immerhin ist Russland nun doch bereit, der Ukraine, die derzeit für tausend Kubikmeter Gas stolze 485 US-Dollar bezahlen muss, einen Rabatt von 100 Dollar zu gewähren. Einen endgültig verbindlichen Preis soll das Internationale Schiedsgerichts in Stockholm festlegen, bei dem Moskau und Kiew einender im Juni verklagten. Kiew akzeptiert Moskaus Preise nicht, Moskau will von Kiew 5,3 Milliarden Dollar für bereits getätigte Exporte. Zudem besteht Russland auf Vorkasse, weil die Ukraine seit November 2013 ihr Rechnung nicht bezahlt.     Wegen des schwebenden Erfahrens in Stockholm hatte Gasprom noch Anfang der Woche Rabatte für Kiew kategorisch ausgeschlossen.

Die Ukraine soll schnell mehr als eine Milliarde bezahlen

Den Sinneswandel bewirkte Oettinger womöglich damit, dass er die Schulden Kiews „unstrittig“ nannte. Gut ein Viertel davon – 1,45 Millliarden – soll die Ukraine vor Wiederaufnahme der Lieferungen als „vertrauensbildende Maßnahme“ überweisen. Für den Rest soll ein Schuldentilgungsplan erstellt, das Procedere bei einer neuen Runde der Dreier-Gasverhandlungen im Format Russland-Ukraine-EU geklärt werden. Diese könnten schon Anfang September wieder aufgenommen werden. Es ist ein Kompromiss, bei dem alle Akteure Nachteile in Kauf nehmen. Doch mit ihm steht und fällt der stabile Zugriff auf Gas für Europa und die mit der EU assoziierten Staaten. Ihn zu gewährleisten, so Oettinger, sei das Hauptziel seiner Reise gewesen.

Die Europäer könnten im Kalten sitzen

Nach wie vor wird mehr als die Hälfte aller russischen Gaslieferungen in Richtung Westen durch das Gebiet der Ukraine geleitet. Vom Ausgang des Gasstreits hängt es daher ab, ob es eine halbe Milliarde Menschen in West- und Südeuropa im Winter warm hat oder bibbern muss. Der Ton zwischen Moskau und Kiew war in den letzten Wochen immer schärfer geworden. Die Ukraine drohte, im Rahmen ihrer Sanktionen gegen Russland, auch die Durchleitung von Gas an die EU komplett zu stoppen. Letzte Woche ließ Regierungschef Arsenij Jazenjuk sich das Vorhaben vom Parlament in Kiew offiziell genehmigen. Gleichzeitig behauptete er, Moskau selbst wolle seine Lieferungen als Rache für Europas Sanktionen einstellen.

In Russland sprach man von Erpressungsversuchen und warb erneut für South-Stream: Eine Gasleitung, die unter Umgehung der Ukraine auf dem Boden des Schwarzen Meeres verlegt wird. Brüssel hatte die Blaupausen Anfang Juni auf Eis gelegt. Angeblich wegen Verstoß gegen das so genannte Dritte Energiepaket. Es untersagt Lieferanten, gleichzeitig auch die Pipelines in ihren Regionen zu betreiben. Russland und die beteiligten westlichen Konzerne - darunter die deutsche BASF-Tochter Wintershall – wollen sich das Geschäft nicht kaputt machen lassen. Auch der EU-Kommissar Oettinger, so russische Medien, sei daher gestern mit dem heiklen Thema konfrontiert“ worden.