Im Herbst sind zwei neue Gastrobücher erschienen, in denen der Südwesten eine große Rolle spielt: der Slow-Food-Führer und eine Sternetour durch Baden-Württemberg.

Lokales: Matthias Ring (mri)

Stuttgart - Derweil die neuen Ausgaben des Gault Millau und Guide Michelin noch auf sich warten lassen, hat der Herbst andere Bücher zu bieten, die sich an Gourmets richten. Oder besser gesagt: an Leute, die gern gut essen. Denn eines der Kriterien des „Slow Food Genussführers Deutschland 2015“ (Oekom Verlag, 19,95 Euro) ist die Restaurantrechnung, die mit drei Gängen,Wasser und Wein 50 Euro pro Person nicht zu nahe kommen sollte. In den Locations, die in einem anderen Werk in Wort und Bild (Slow Food verzichtet auf Fotos) vorgestellt werden, dürfte das kaum möglich sein. Es heißt „Sternetour – Eine kulinarische Reise durch Baden-Württemberg“ (Theiss Verlag, 59,95 Euro).

 

So unterschiedlich die Blickwinkel, gibt es doch zwei Adressen, die in beiden Büchern auftauchen, obwohl Sternerestaurants im Slow-Food-Führer kategorisch ausgeschlossen seien, wie Karlheinz Hassis von der Genussführerkommission sagt. Das Lamm Rosswag in Vaihingen/Enz aber ist vertreten, weil es den Stern erst nach Erscheinen der ersten Slow-Food-Ausgabe erhalten hat. Und immerhin: heute noch gibt es dort zumindest ein Mittagsmenü für 34 Euro. Der Hirsch in Sonnenbühl auf der Alb ist dabei, weil es Slow Food um die Dorfstube und nicht ums Gourmetrestaurant im Romantik-Hotel geht.

Mit dem Führer 2015 startet der Verein, der sich für eine nachhaltige und vielfältige Esskultur einsetzt, stolz in die zweite Saison. Die Ausgabe 2014 hat sich 25 000 Mal verkauft – „ein Erfolg, an den keiner geglaubt hat“, sagt Hassis bei der Buchvorstellung im Vorzeigelokal der Stuttgarter Gruppe, dem Lamm in Feuerbach. Und das Buch hat zugelegt: 126 Restaurants sind neu aufgenommen und 23 wieder rausgeschmissen worden, sodass man jetzt bei 403 aufgeführten Adressen ist. Besonders viele davon befinden sich im Südwesten der Republik. Wenn man allerdings genauer hinschaut, kehrt Ernüchterung ein. Aus der Region Stuttgart sind nicht einmal ein Dutzend dabei, im Stadtgebiet sogar nur zwei: eben das Lamm in Feuerbach sowie die Speisekammer West. Die im Vorjahr vertretene Weinstube Klösterle ist aussortiert worden. Seltsam nur, dass die Freiburger Gruppe nach wie vor gleich elf Lokale in ihrer Stadt für „gut, sauber und fair“ hält, so das Motto der Slow-Food-Bewegung mit ihren 13 000 Mitgliedern in Deutschland und 600 in Stuttgart.

Argentinisches Rind fällt beim Slow-Food-Führer durch

Kann man in der Landeshauptstadt so wenig gut essen? Zum Vergleich: der Guide Michelin, von dem manche glauben, er würde nur Sterne verteilen, listet in seiner Ausgabe 2014 allein in Stuttgart an die vierzig Lokale. Das hiesige Convivium, also die Stuttgarter Tafelrunde von Slow Food, habe im Laufe der Zeit auch 160 Adressen in der Region getestet – von denen ein knappes Dutzend übrig geblieben ist. Neben dem Preis sind weitere Ausschlusskriterien: ein zu internationales Angebot, Convenience-Produkte, Geschmacksverstärker und andere Hilfsmittel in der Küche.

„Anfangs haben wir uns über die Bedingungen gestritten“, sagt Horst Rachner, einer der ersten von inzwischen zehn Testern der Stuttgart-Gruppe. Zum Beispiel, ob argentinisches Rind statthaft sei. Man entschied sich dagegen – woraufhin eines der Mitglieder, verheiratet mit einer Argentinierin, prompt ausgetreten sei. „Wir sind keine Küchenpolizei“, sagt der Stuttgarter Conviviumleiter Alexander Lorenz. Man könne eh nicht alles überprüfen und wolle nicht „fundamentalistisch“ sein. Aber landestypische Gerichte sollten in einem Gasthaus schon überproportional vertreten sein. Da lasse man alles zu, was in der jeweiligen Region so vom Jahr 1950 an vorhanden gewesen sei.

Das ist ungefähr die Zeit, in der der Aufstieg von Baden-Württemberg zum heute beworbenen „Genießerland“ begonnen hat, der ohne internationale Einflüsse und besonders die Nähe zu Frankreich nicht möglich gewesen wäre. Auf diese Tradition berufen sich viele Köche, die im Buch „Sternetour“ vorgestellt werden. Die Journalisten Wolf M. Günthner und Rainer Lang haben es mit Unterstützung von neun Kollegen geschrieben, Thomas Kienzle hat fotografiert. Obwohl der dicke Schinken keine Landkarte abbildet, soll er „Kochbuch, Köchebuch und Reisebuch“ sein, so Günthner. Die „Sternetour“ mit 25 Stationen beginnt bei Claus-Peter Lumpp und Jörg Sackmann in Baiersbronn und endet mit Harald Wohlfahrt ebendort. Also schrieb unser in Baiersbronn lebender Tourismusminister Alexander Bonde von den Grünen nicht nur eines der drei Vorworte, sondern sprach bei der Präsentation des Buchs im Konferenzsaal des Sparkassenverbands auch ein paar Worte. Etwa über „Landschaftspflege mit Messer und Gabel“, was ganz im Sinne von Slow Food sein dürfte.

Mit Rezepten von den Sterneköchen

Zum Glück aber wird auch in anderen Gemeinden des Landes einigermaßen gekocht. Und wer will, der kann versuchen, es den porträtierten Sterneköchen gleich zu tun, denn die liefern je ein Rezept. Die meisten der Gerichte scheinen relativ nachkochbar zu sein, wenngleich Armin Karrer vom Avui in Fellbach oder Dirk Hoberg vom Ophelia in Konstanz mit Zusatzstoffen arbeiten, die für Slow Food wohl in die Hexenküche und nicht in eine landestypische Kochstube gehören: Xantan, Gellan, Kappa, Algin, Mondamin. Vermittelnd zwischen den Extremen kann man Franz Feckl von seinem Sterne-Landhaus in Ehningen zitieren: „Genuss hat viele Facetten. In diesem Sinne birgt für mich auch ein Butterbrot Genuss in sich.“

Aber so schön und gut die beiden Bücher sein mögen: Wer sich auf die Suche begeben will, um vielfältig zu essen, regional und international in unterschiedlichen Preisklassen, wird weder mit dem einen noch mit dem anderen allein auskommen und muss zu einem Ergänzungsmittel greifen.