Seit Jahren steht das Stuttgarter Schwabenzentrum leer. Nun machen sie die Betreiber eines Restaurants und eines Clubs daran, aus dem öffentlichen Urinal einen Nightlife-Spot zu machen.

Stuttgart - Lange wirkten die Einzelhandels- und Gastronomieflächen des Schwabenzentrums am Eingang zur Stadtbahnhaltestelle Rathaus wie ausgestorben. Kaum jemand hat sich in den vergangenen Jahren in die Ecke verlaufen, in der beim Durchqueren der Unterführung hauptsächlich eins hervorsticht: der allgegenwärtige Uringeruch.

 

Das könnte sich allerdings bald ändern. Von Februar an versuchen sich zwei erfahrene Betreiberteams an der Wiederbelebung der Betonwüste. Mitte Februar eröffnet das vietnamesische Restaurant Breitengrad 17 nach zweimonatiger Umzugs- und Bauphase seine Pforten, im März und Spätsommer ziehen eine Kneipe und ein Club der Betreiber des Clubs Schocken nach. Sie alle wollen das Areal wiederbeleben, das momentan weniger einladend kaum sein könnte.

Ende der Neunziger hatte die legendäre Kneipe Litfass mit dem Wirt Ali, an dessen menschliche und gastfreundliche Art sich viele der damaligen Feiernden noch erinnern, ihre Pforten geschlossen. Seitdem ist es ruhig geworden in der „Mulde“, wie die Schocken-Geschäftsführerin Ninette Sander das Areal betitelt.

Urbaner als die Theo

Kein Gastronomie-Konzept konnte sich dort über längere Zeit halten, was zu dauerhaftem Leerstand dreier Objekte führte. Dabei war das Litfass so etwas wie der Vorbote einer neuen Stuttgarter Feierkultur. Hatte man bis dahin Schwierigkeiten, nachts um drei Uhr noch eine warme Mahlzeit oder ein frisch gezapftes Bier zu finden, konnte bei Wirt Ali noch bis in die frühen Morgenstunden geschmaust und getrunken werden. Auf der Videoplattform Youtube lassen sich dafür noch bewegte Belege finden.

In Ninette Sander und Ralf Bauer versuchen sich nun zwei alte Hasen der Stuttgarter Gastronomieszene an der Wiederbelebung. Denn das Areal mag zwar auf den ersten Blick wenig ansprechend wirken, strahlt für manche aber mehr Urbanität aus, als es eine Theodor-Heuss-Straße oder das Einkaufszentrum Gerber jemals tun werden. Und dass eine Bar in einer Gegend, in der städtische Ämter und Casinos eine friedliche Ko-Existenz zu führen scheinen, funktionieren kann, beweist die benachbarte Bar Romantica an der Rückseite des Joseph-Hirn-Platzes.

Kombination aus Restaurant, Kneipe und Club

Dass nicht ein Casino, sondern das Breitengrad 17 zu den zukünftigen Mietern gehört, gefällt auch Ninette Sander. „Mit zwei Spielhallen als Mitmieter hätten wir uns darauf nicht eingelassen“, sagt Sander. Auch Ngon Dinh, der mit seiner Schwester Hoang Dung Pham das Breitengrad 17 führt, freut sich über die Möglichkeiten, die ihnen der neue Standort bietet.

„Das alte Lokal wird in naher Zukunft abgerissen. Dort war weder die Haustechnik auf dem neuesten Stand, noch waren Gastraum und Küche groß genug, um die vielen Ideen, die wir haben, umzusetzen“, sagt Ngon Dinh. So wolle man im Breitengrad 17 in Zukunft das Authentische behalten, sich aber zugleich der modernen vietnamesischen Küche widmen. Auch biete die geräumige Küche mit einem modernen Lüftungssystem die Voraussetzungen für Gerichte wie Grillplatten und Feuertöpfe, die bei der Zubereitung mehr Platz als herkömmliche Gerichte benötigten.

Die Musik sollen vor allem House-DJs liefern

Wer in Zukunft gesättigt, aber noch voller Tatendrang das Breitengrad 17 verlässt, wird im Kneipen-Club-Kombinat namens „White Noise“ nebenan auf seine Kosten kommen. „In der Kneipe wollen wir eine Wohnzimmeratmosphäre mit offener Thekenstruktur schaffen“, sagt Ninette Sander. Den Club wolle man dagegen minimal halten, „ohne viel Schnick-Schnack“, ergänzt sie.

Für den Veranstaltungsbetrieb im Club hat man Manuel Klink mit ins Boot geholt. Der Student der Werbung und Marktkommunikation an der Hochschule der Medien ist im Vorstand des Ende 2013 gegründeten Club-Kollektivs tätig, wo er auch mit den Schocken-Betreibern Ninette Sander und Ralf Bauer in Kontakt kam. Außerdem ist er Betreiber des Blogs „Es ist Liebe“, mit dem er die elektronische Musikszene in Stuttgart fördern möchte und unter dessen Namen er Partys in Stuttgart veranstaltet.

In Zukunft wird er sich im Club um das Booking der Künstler kümmern. „Wir möchten nationale und internationale House-DJs nach Stuttgart bringen und einen Club mit einer klaren Linie schaffen“, sagt Manuel Klink. Daher seien sowohl ein Verzicht auf Fremdveranstaltungen als auch ein fixer Eintrittspreis an Wochenenden in Gespräch.

Erstmal abwarten

Bevor die Bauanträge für den Club gestellt werden, wollen Ninette Sander und Ralf Bauer allerdings noch auf die viel diskutierte Reform der Stellplatzablöse warten. Tritt sie in Kraft, sollen Clubs beim Nachweis der notwendigen Parkplätze künftig wie Gaststätten behandelt werden. Bisher war es deutlich teurer, eine Diskothek zu eröffnen, weil man mehr Parkplätze nachweisen musste und keinen Bonus für den öffentlichen Nahverkehr geltend machen konnte.

Klappt die Wiederbelebung durch die Gastronomie, ist vermutlich auch bald Schluss mit dem öffentlichen Urinal. Dieser Mehrwert sollte auch der Stadt Stuttgart einleuchten. Es muss ja nicht immer ein Einkaufszentrum sein.