2015 scheint kein gutes Jahr für die Gastro-Urgesteine in Stuttgart zu sein: Nach dem Soho im Stuttgarter Westen und dem Café Stella an der Hauptstätter Straße schließt nun auch das Café Heller für immer.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Freunde von gepflegter Kaffeekultur in Stuttgart müssen jetzt ganz stark sein: Das Café Heller schließt nach fast 20 Jahren gastronomischer Aufklärungsarbeit in zwei Wochen für immer seine Pforten. „Wir zahlen hier eine so hohe Pacht, das konnte ich am Ende einfach nicht mehr erwirtschaften“, erklärt Anne Kerschkamp, die Betreiberin des Cafés an der Herzogstraße. „Das Konsumverhalten hat sich extrem verändert. Die Leute wollen nur noch schnell und billig und diskutieren mit mir, wieso mein Mittagstisch 8 Euro kostet. Dass ich das Gemüse vom Bio-Hof beziehe, ist denen scheinbar egal“, sagt Kerschkamp. In den vergangenen drei oder vier Jahren sei das Geschäft immer schwieriger geworden. „Mit Gästen, die eine Kanne Tee für vier Euro bestellen und dann vier Stunden bleiben, kann man so einen Betrieb nicht erhalten.“

 

Das Ende des Café Heller reiht sich ein in ein bemerkenswertes Sterben von inhabergeführten Gastronomie-Betrieben in Stuttgart. 2015 war bisher kein gutes Jahr für die Klassiker der hiesigen Kaffeekultur. Nachdem zuerst das Café Soho im Westen das Aus verkünden musste, wurde kurze Zeit später bekannt, dass auch die Tage des Café Stella an der Hauptstätter Straße gezählt sind. Letztgenanntes Urgestein hatte Ende September zum letzten Mal geöffnet.

Soho, Stella und Heller verschwinden kurz hintereinander

Mit dem Heller verschwindet nun ein weiteres Lokal von der Bildfläche, das nach seiner Eröffnung im Oktober 1996 für viele zum zweiten Wohnzimmer wurde. „Die Konkurrenz ist heute einfach viel größer, mit einer Systemgastronomie wie Starbucks können wir eben nicht mithalten“, sagt Anne Kerschkamp. Gleichzeitig habe das Überangebot an Gastronomie zumindest einen Teil der Gäste negativ beeinflusst. „Die handeln nach der Maxime, wenn meine Wünsche hier nicht erfüllt werden, gehe ich eben zum nächsten weiter. Viele haben auch keinen Anstand mehr, reservieren für eine Gruppe von 30 Leuten, kommen dann aber nur zu neunt.“ Gleichzeitig sei der bürokratische Aufwand extrem gestiegen. „Wenn ich nicht so viel Unterstützung von meiner Familie gehabt hätte, hätte ich schon viel früher schließen müssen“ sagt Kerschkamp. Die 51-Jährige ist seit Dekaden in der Stuttgarter Gastronomie verwurzelt. Angefangen hat sie einst im Litfass noch zu Zeiten des legendären Wirts Ali.

Ein kleiner Trost für die Fans des Café Heller bleibt: Kerschkamp macht an anderer Stelle weiter. Sie übernimmt die Vereinsgaststätte des KV/TV Plieningen. „Für unser künftiges Restaurant im Clubhaus habe ich schon die ersten Reservierungen. Das wird natürlich eine ganz andere Aufgabe. Dank der bestehenden Vereinsstrukturen ist es in Plieningen sehr familiär, das kann man mit der Konkurrenzsituation in der Stuttgarter Innenstadt überhaupt nicht vergleichen“, erklärt Kerschkamp.

Kerschkamp begrüßt künftig in Plieningen ihre Gäste

Den ein oder anderen Stammgast trifft die Nachricht vom Heller-Ende dennoch hart. „Ich habe noch keine Ahnung, wo ich künftig morgens hingehen soll. Für mich geht hier schon eine Ära zu Ende“, sagt ein Gast, der seinen ersten Kaffee des Tages an diesem Morgen bereits um 8.45 Uhr bekommt, obwohl das Café offiziell erst um 9 Uhr aufmacht.

Am 25. Oktober öffnet das Heller zum letzten Mal seine Türen, ab 1. November begrüßt Anne Kerschkamp samt Team in Plieningen ihre Gäste. „Ehrlich gesagt bin ich auch ein bisschen froh, dass ich künftig nicht mehr vegan kochen muss“, sagt Kerschkamp mit einem Lächeln. Wer die dann ehemaligen Heller-Räume künftig bespielt, ist noch nicht bekannt. Im Café Soho zieht demnächst eine Kette mit dem eigenwilligen Namen Otis Spunkmeyer ein. Die Systemgastronomie wirbt mit „Seattles bestem Kaffee“ und Pappbechern zum Mitnehmen auf ihren Plakaten. Nach hoher Kaffeekultur klingt das eher nicht.