„Future 6“, das neue Programm von Gauthier Dance, wartet mit fünf Uraufführungen auf. Ein Abend im Theaterhaus in Stuttgart, der passgenau auf das gefeierte Ensemble zugeschnitten ist.

Stuttgart - Griffig und durchaus konzeptionell begründet sind die Titel der Programme von Gauthier Dance immer. Das gilt auch für das jüngste, „Future 6“, das jetzt im Theaterhaus Premiere gehabt hat. Ob die – außer Kompanieleiter Eric Gauthier – fünf Choreografen, die in dem sechsteiligen Abend der Theaterhaus-Tanztruppe vertreten sind, alle für die Zukunft des Tanzes schlechthin stehen, wie Gauthier in seiner Ansprache kundtat, sei einmal dahingestellt. Aber es sind in jedem Fall alles renommierte Namen.

 

Und dass vier von ihnen eigens neue Stücke für das Ensemble kreiert haben, spricht für den guten Ruf, den Gauthier Dance mittlerweile in der Tanzwelt genießt. Ob Marco Goecke, Itzik Galili, Cayetano Soto oder Jirí Bubenícek, sie loben – zu Recht - die künstlerische Flexibilität, Kreativität und Persönlichkeit der mittlerweile vierzehn Tänzerinnen und Tänzer. Fünf von ihnen gehören erst seit dieser Spielzeit zur Kompanie, zwei weitere seit letzten Mai. Weil es derzeit einige krankheitsbedingte Ausfälle gibt, müssen die Neuen bei „Future 6“ verstärkt ran. Das tun sie mit Bravour, als gehörten sie schon jahrelang dazu. So ist es schon vom Tänzerischen her betrachtet wieder ein vielseitiges und expressives Programm auf hohem technischem Niveau, mit dem Gauthier Dance aufwartet.

Vielgestaltig und spannend bezüglich der Stile und Thematiken sind auch die sechs Choreografien. Es beginnt mit leisen Tönen, aber ebenso mit Dynamik und lakonischem Witz in Jirí Bubeníceks „Burning Bridges“. Zu Musik von unter anderem Arvo Pärt und Bach lässt der auch als Choreograf begabte Startänzer (ehemals Hamburger, jetzt Dresdener Ballett) das Tanzpaar Anna Süheyla Harms und Sebastian Kolborg über das Scheitern und Gelingen einer Liebesbeziehung sinnieren, akkompagniert von David Stiven Valencia Martinez und Tars Vandebeek, die das Ganze schon auch mal verbal von hohen Stühlen aus kommentieren. Die Facetten und Fallstricke der Liebe manifestieren sich sehr schön in den mal schlaksigen, mal mechanischen oder ruppigen, dann wieder wie um Balance ringenden und schließlich harmonisch-fließenden Bewegungen.

Anneleen Dedroog als Frau, die weiß, was sie will, und Sebastian Kloborg als schüchterner Intellektueller liefern sich in „Cherry Pink and Apple Blossom White“ zu einem Mambosong einen augenzwinkernd-humorvollen kleinen Machtkampf, wer in diesem peppigen und charmanten Duett von Itzik Galili die Oberhand behält.

Auf der Bühne donnern die Trommeln

Musikalisch geht es mit kubanischen Rhythmen weiter bei Cayetano Sotos „Malasangre“, was auf Deutsch böses Blut bedeutet. Soto, der auch bereits für das Stuttgarter Ballett gearbeitet hat, hat sich zu diesem Stück für drei Tänzerinnen und vier Tänzer von der Musik und dem Leben der Sängerin La Lupe inspirieren lassen, die für ihren exzentrischen und tyrannischen Charakter berüchtigt war. Das spiegelt sich wider in eckigen, einzelne Körperteile polyzentrisch isolierenden Bewegungen und krakenartig gekrümmten Fingern. Dann wieder wechselt die Bewegungsextreme auslotende Choreografie in schnelle, den Schwung und die Erotik der Musik aufgreifende Passagen. „Malasangre“ hinterlässt als eines der stärksten Stücke des Programms nachhaltigen Eindruck.

Gauthiers neue Kreation für zehn Damen und Herren seines Ensembles „Takuto“ (japanisch für Takt) macht vor allem durch die von den Tänzern – erstaunlich versiert – live auf der Bühne geschlagenen Trommeln viel her. Die Aussagekraft des Tanzes kann mit der eindrucksvollen akustischen Kulisse leider nicht ganz mithalten.

Marco Goecke hat ein Solo für Gauthier entwickelt, den er aus gemeinsamen Jahren beim Stuttgarter Ballett kennt, mit dem er jedoch erstmals zusammenarbeitet. „I Found a Fox“ zu einem Song von Kate Bush weist Goeckes typische, zwischen Ballettpose und zeitgenössischen Verbiegungen changierende Tanzsprache auf, hat aber anders als seine oftmals dunklen Kreationen einen leichten, fast fröhlichen Duktus voll flirrender Energie. Was ausgesprochen gut zu Gauthiers Persönlichkeit passt.

Die gegen den Strich gebürstete Sicht von Stephan Thoss auf den „Bolero“, als einziges Stück des Programms keine Uraufführung, beschließt humorvoll den insgesamt gelungenen und passgenau auf Gauthier Dance zugeschnittenen Abend. Als Bewohnerinnen eines Altenheims führen hier sechs Tänzerinnen mit komödiantischer Theatralik vor, dass die soghaften Rhythmen selbst müden alten Knochen Lebenslust einhauchen können.