Heftige Luftangriffe Israels verbreiten Angst und Schrecken in Gaza. Mehr als 200 000 Menschen drängen sich in UN-Unterkünften. Das einzige Kraftwerk der Enklave wird in Brand geschossen, Medikamente und Lebensmittel sind knapp.

Gaza/Tel Aviv - Nach den schlimmsten Bombardierungen seit Beginn der israelischen Militäroffensive im Gazastreifen machen sich zunehmend Panik und Verzweiflung in der Enklave breit. Immer mehr verängstigte Menschen versuchten, dem Inferno zu entrinnen. Sie flohen in eine von 85 UN-Einrichtungen, die als Notunterkünfte dienen. Die Zahl der Schutzsuchenden gab der Sprecher des UN-Hilfswerks UNRWA, Chris Gunness, am Dienstagabend mit mehr als 200 000 an. Das waren fast 20 000 mehr als noch am Morgen.

 

Aber auch dort ist es nicht immer sicher. So fanden UN-Mitarbeiter in einer von ihnen verwalteten Schule ein Waffenlager. Die Weltorganisation beschuldigte militante Palästinenser, „die Neutralität einer unserer Einrichtungen verletzt“ zu haben. Die Schule werde derzeit nicht genutzt. Die israelische Armee hatte wiederholt auch Schulen oder Moscheen nach einer kurzen Vorwarnung angegriffen, wenn sie dort Waffenlager vermutete.

Zudem wurde auch noch das einzige Kraftwerk des Gazastreifens von Granaten in Brand gesetzt. In weiten Teilen des Gebiets fiel der ohnehin nur stundenweise zur Verfügung stehende Strom ganz aus. Palästinenser und Israelis bezichtigten sich gegenseitig, die Geschosse abgefeuert zu haben. Die Zahl der Toten seit Montagabend auf palästinensischer Seite wurde mit mehr als 100 angegeben.

Ein Ende der Gewalt ist nicht in Sicht

Auch in Israel litten die Menschen unter den Folgen des Krieges. Erstmals wurden die Bürger der israelischen Mittelmeermetropole Tel Aviv auch mitten in der Nacht von Luftalarm aus den Betten geholt. Zwei Raketen aus dem Gazastreifen seien nahe Rischon Lezion südöstlich von Tel Aviv eingeschlagen, teilte die Armee mit.

Ein Ende der Gewalt war unterdessen zu Beginn der vierten Kampfwoche nicht in Sicht. Die radikal-islamische Hamas dementierte eine Mitteilung des PLO-Funktionärs Jasser Abed Rabbo, wonach die militanten Palästinenser-Fraktionen in Gaza einer 72-stündigen Waffenruhe zugestimmt hätten. Das sei erst denkbar, wenn sich auch Israel dazu verpflichte und es internationale Garantien gebe, sagte Hamas-Sprecher Sami Abu Zuhri in Gaza.

In der Nacht hatten schwere Bombardements den Gazastreifen erschüttert. Palästinensische Augenzeugen berichteten, das Militär habe aus der Luft, mit Artillerie und von Kriegsschiffen aus geschossen. Ein Korrespondent der Nachrichtenagentur dpa in Gaza sprach von einer Nacht „voller Horror, Angst und Panik“. Eine junge Deutsche palästinensischer Herkunft, die in Gaza lebt, sagte der Nachrichtenagentur dpa: „Wir wissen jetzt nicht, wo wir hingehen sollen. Das ist das Problem“. An Schlaf sei nicht zu denken, da in der Nacht bombardiert werde, sagte die 18-Jährige.

Laut Hilfswerk UNRWA starben fünf UN-Mitarbeiter

Die Zahl der Toten bei israelischen Angriffen im Gazastreifen seit Beginn der Kämpfe vor rund drei Wochen stieg auf mehr als 1100 Menschen. 6700 wurden verletzt. Die meisten der Opfer seien Zivilisten, teilten die Rettungskräfte mit. Nach Angaben des israelischen Militärs starben auf israelischer Seite 53 Soldaten und 3 Zivilisten. Wie UNRWA-Sprecher Gunness mitteilte, starben auch fünf UN-Mitarbeiter, darunter drei für UNRWA tätige Lehrer.

Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen kritisierte vor allem den Beschuss von Krankenhäusern im Gazastreifen. Für Kranke und Verwundete sei es aufgrund des intensiven Beschusses ohnehin schwierig, die wenigen funktionsfähigen Krankenhäuser noch zu erreichen. Diese seien zudem völlig überfordert. Nicht nur Medikamente, sondern auch Trinkwasser und Nahrungsmittel würden in dem von 1,8 Millionen Menschen dicht besiedelten Gebiet knapp.

Ungeachtet aller internationalen Appelle für eine Waffenruhe hatte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu eine Fortsetzung der Militäroffensive angekündigt. „Wir werden den Einsatz nicht beenden, bevor wir die Tunnel (der Hamas) zerstört haben“, erklärte er am Vortag in einer Fernsehansprache.

Anschläge auf jüdische Einrichtung

Westliche Nationen und die UN fordern hingegen eine sofortige humanitäre Waffenruhe. Auch Künstler meldeten sich zu Wort. Der Dirigent Daniel Barenboim äußerte sich zutiefst besorgt. „Alle Kriege gehen eines Tages zu Ende. Doch was wird in Israel und Palästina geschehen, wenn dieser Krieg vorbei ist? Den Hass wird keine politische Verhandlung beseitigen können“, warnte der Maestro.

In Spanien warfen mehr als einhundert Künstler, darunter die Hollywood-Stars Penélope Cruz und Javier Bardem, Israel Völkermord vor. In einem offenen Brief forderten sie „einen sofortigen Waffenstillstand“.

Zugleich kam es in verschiedenen Ländern zu Anschlägen auf jüdische Einrichtungen und antisemitische Schmierereien. In Wuppertal schleuderten drei Männer Brandsätze auf den Eingang der dortigen Synagoge. In Rom wurden Drohungen, antisemitische Parolen und Hakenkreuze an Dutzende jüdischer Geschäfte gesprüht.