Der Unmut darüber, dass Anwohner im Stadtzentrum für den Dreck zahlen soll, den das Partyvolk jedes Wochenende hinterlässt, ist immer noch groß. Stadträte aller Fraktionen wollen nach einer Lösung suchen.

Lokales: Sybille Neth (sne)

S-Mitte - Die neue Gebührenordnung für die Reinigung der Gehwege im Hospital-, Bohnen-, Leonhards-und Gerberviertel wird den Gemeinderat in Kürze wieder beschäftigen. Auf einer Protestversammlung am Donnerstag versprachen dies die anwesenden Stadträte aller politischer Couleur. Auf Einladung des Forum Hospitalviertel waren gut 60 Interessierte in den Hospitalhof gekommen, wo sie Pfarrer Eberhard Schwarz scherzhaft „in der Hauptstadt der Kehrwoche“ begrüßte.

 

Dass diese für die Anwohner der vier Quartiere jetzt wegfällt, weil sie per Gemeinderatsbeschluss vom Dezember zur Reinigungszone 1 erklärt wurden, gefällt ihnen keineswegs. 68,75 Euro pro laufenden Frontmeter Gehweg sollen sie künftig für die Reinigung durch die Stadt bezahlen und dies für Verunreinigungen, die sie selbst nicht verursacht haben. Für die evangelische Kirche ist wird dies über 35 000 Euro pro Jahr kosten, wie Kirchenpfleger Hermann Beck vorrechnete. Klaus Jäger, der ein Gebäude an der Ecke Katharinen-/Weberstraße besitzt, soll künftig 1600 Euro bezahlen beziehungsweise auf seine Mieter umlegen. „Das entspricht einer Preiserhöhung von 215 Prozent“, sagte er. Dabei gebe es an dieser Stelle – anders als im Hospitalviertel – gar kein Müllproblem. „Das einzige, was stört, ist die Kehrmaschine, die jetzt jeden Morgen um Fünf durchfährt“, ärgert er sich.

Juristische Grundlage in Frage gestellt

Nicht einmal für die an den Wochenenden von den unappetitlichen Hinterlassenschaften des Partyvolkes der Theodor-Heuss-Straße gebeutelten Anwohner im Hospitalviertel bringt die Einführung der Reinigungszone 1 etwas, wie Gerd Ulrich vom Forum Hospitalhof erklärte: „Erbrochenes und Fäkalien werden von der Stadtreinigung ja gar nicht beseitigt.“ Äußerst fraglich ist laut Kirchenpfleger Beck die juristische Grundlage der Gebührenerhebung. Bei der Protestversammlung herrschte weitgehender Konsens, dass nach einer politischen Lösung gesucht werden müsse, bevor rechtliche Schritte unternommen werden. Pfarrer Schwarz kritisierte, dass trotz des regelmäßigen Runden Tisches, an dem auch die Verwaltung teilnehme, die Anwohner nicht nach ihren Bedürfnissen gefragt worden seien.

Stadtrat Philipp Hill (CDU) versprach den verärgerten Bürgern, dass er in dieser Woche das Thema auf die Tagesordnung der nächsten Gemeinderatssitzung bringen wolle. „Wir haben die rechtliche Frage noch nicht ins Kalkül gezogen, aber ein Gerechtigkeitsdefizit bemerkt.“ Bezirksbeirat Christoph Goller (CDU) forderte rasches Handeln: „Wir müssen schnell reingrätschen.“ Grünen-Stadtrat Jochen Stopper räumte ein, dass im Vorfeld des Gemeinderatsbeschlusses niemand an die Folgen gedacht habe. SPD-Bezirksbeirat Manuel Krauß schlug vor, Erfahrungsberichte der Anwohner zu sammeln. Dem kam Rüdiger Kimmler aus dem Hospitalviertel zuvor: „Ich will kein saubereres Viertel, sondern eine Grundsauberkeit ohne zusätzliche Kosten.“

Beteiligte sollen nicht gegeneinander ausgespielt werden

Der kaufmännische Direktor des Renitenztheaters, Roland Mahr, kündigte an: „Vielleicht machen wir ein Kabarettprogramm daraus“ und schlug den Bogen zur Weltpolitik. „Wie bei den großen Konflikten sollte zuerst ein Waffenstillstand vereinbart werden. Dafür müssen die Gebühren ausgesetzt werden.“ SPD-Stadtrat Dejan Perc sprach sich für eine Lösung mit der Gastronomie aus und der Geschäftsführer von Haus und Grund, Ulrich Wecker, warnte davor, die Beteiligen gegeneinander auszuspielen. Auch Pfarrer Schwarz betonte: „Gastronomen und Anlieger haben gemeinsame Interessen.“